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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag
Autoren: Frau Freitag
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sie zusammen mit diesem Turmdings fahren. Da wo man so schnell runterfällt, und SIE könnte seine Hand halten und flüstern: »Ich hab Angst.« Und ER würde sagen: »Ich nicht. Ich find’s mies geil.« Sie hätten ein gemeinsames Erlebnis, und SIE könnte ihren Kindern später erzählen: »Und auf der dritten Achterbahnfahrt im Heidepark Soltau hat euer Vater sich in mich verliebt. War mit Looping.«
    Frau Dienstag sagt zu der ganzen Thematik nur: »Heidepark? Iiihhh, mach nicht!« Aber ich muss! Wie soll SIE IHM denn sonst näherkommen? In Mathe geht das nicht. »Ich hab Angst vor Dezimal.« – »Komm, ich halte deine Hand!« Das klappt nie. Und kann irgendein Busunternehmen verantworten, dass wir nicht fahren? Sind die denn alle gegen die Liebe?
    Diese Heideparkplanung ist eine Gefühlsachterbahn mit Dreifachlooping. Erst will ich auf keinen Fall fahren, dann unbedingt und jetzt, nachdem ich mich übermüdet, heiser und schlecht gelaunt durch mehrere Stunden mit meiner Klasse gemeckert habe, müsste sich mir schon ein Busunternehmen aufdrängen, damit ich überhaupt nur in Richtung Soltau denke.
    In der Pause checke ich meine E-Mails und – Bingo – wie könnte es anders sein, wenn man keinen Bus mehr haben will: »Sehr geehrte Frau Freitag, hier unser Angebot: Insgesamt können 56 Personen mitfahren, zum Preis von …« Für die genannte Summe könnte ich auf die Malediven fliegen. Soll ich vielleicht einfach das Geld von den Kindern einsammeln und mir davon einen schönen Urlaub gönnen? Verdient hätte ich es.
    Komatös liege ich auf der Couch. Heidepark ja – Heidepark nein, das ist hier die Frage. Ich könnte meiner Klasse einfach gar nichts sagen, und wir machen einen ganz normalen Wandertag. Langweilig für mich, aber irgendwie trotzdem aufregend für die Kinder – schließlich beschränkt sich ihr Bewegungsradius überwiegend auf Zuhause-Schule-Zuhause. Ich habe ihnen auch nicht gesagt, dass ich heimlich nach einem Bus gesucht habe. So erfahren bin ich mittlerweile in meinem Beruf. Du kannst eine gute Nachricht ruhig erst sehr spät übermitteln. Aber du darfst nie sagen: Ja, wir fahren, wenn auch nur ein noch so winziger Zweifel daran besteht.
    Hätte sich kein Unternehmen gemeldet, hätte ich das unter höherer Gewalt verbuchen können. Aber jetzt, mit diesem Angebot … Was soll ich nur tun? Momentan möchte ich so dermaßen gar nicht in den Heidepark, und ich will rein gar nichts mit meiner nervigen Klasse zu tun haben. Aber der Klasse von Frau Kriechbaum kann ich es ja eigentlich nicht antun, nicht zu fahren. Der Freund weiß auch keinen richtigen Rat – nur: »Schlaf mal drüber.«
    Okay, ich habe darüber geschlafen und einen Brief aufgesetzt: »Ich bin damit einverstanden, dass mein Kind ______ mit in den Heidepark Soltau fahren darf.« Und so weiter.
    Den Brief habe ich 27-mal kopiert und mich dabei gefragt: Warum mache ich das? Ich muss das doch gar nicht tun. Obwohl ich keine Antwort finde, stapfe ich am Ende der Stunde in den Geschichtsunterricht meiner Klasse und höre mir ihre chaotische Diskussion an. Alle schreien durcheinander, einige spielen mit dem Handy, andere unterhalten sich. Die nette Geschichtslehrerin Frau Frenssen versucht, für Ruhe zu sorgen. Meine bekloppte Klasse bleibt einfach laut.
    »Marcella, jetzt sei doch mal leise!«, zische ich.
    Sofort blökt sie in ihrer typisch nervigen Art los: »Frau Freitag, wenn Sie was gegen uns haben, dann sagen Sie es doch!«
    »Ich habe gar nichts gegen EUCH, ich will nur, dass DU leise bist.« Noch in diesem Moment denke ich: Lass die Zettel einfach in deiner Tasche. Frag sie nur nach den Entschuldigungen für die letzten Tage und dann geh einfach. Du brauchst das H-Wort gar nicht zu erwähnen.
    Eine Minute später stehe ich vor meiner Klasse und erkläre, wann ich das Geld haben muss und die Einverständniserklärung der Eltern, dass wir nur fahren können, wenn ALLE bezahlen und mindestens zweiundzwanzig Leute mitkommen und außerdem aus der Kriechbaum-Klasse auch mindestens zweiundzwanzig Schüler bezahlen müssen, dass jeder noch zwei Euro mehr zahlen muss, wenn wir pro Klasse nur zwanzig Schüler zusammenbekommen, aber unter zwanzig geht nicht – und so weiter.
    Und – sind sie begeistert? Na ja, zumindest aufgeregt sind sie und reißen mir die Zettel aus der Hand. Beim Rausgehen diskutieren sie darüber, wann sie aufstehen müssen und was sie mitbringen. Einige verabschieden sich sogar von mir. Ja, ich denke, für ihre
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