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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag
Autoren: Frau Freitag
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verbringen.
    Chips. Alle haben Chips dabei. Überall liegen Chips. Ich werde bald wahnsinnig. In der ersten Pause fragt mich der Busfahrer, ob wir eine Sonderschulklasse sind. Ich sage: »Nein, wir sind Gymnasiumschule.«
    Nach gefühlten hundert Stunden im stickigen Bus erreichen wir den Heidepark. Mittlerweile sind es bereits 32 Grad. Die Kinder sind ganz rot im Gesicht. Niemand hat was zu Trinken mit. Ich gehe zu einem Kiosk und kaufe siebenundzwanzig Flaschen Wasser. Die kosten ein Vermögen. Mit mütterlichen Gefühlen überreiche ich jedem Schüler eine Flasche: »Hier, ihr müsst was trinken!«
    »Wie? Wasser? Warum nicht Cola?«, ranzt Ronnie mich an. Mehmet gießt Abdul seine Flasche über den Kopf. Der wird sauer. Ich auch: »Ihr sollt das TRINKEN, nicht damit rum sauen!«
    »Was trinken? Ich trinke doch kein Wasser!«
    »Das war voll teuer«, sage ich schon etwas kraftloser.
    »Jaja, Frau Freitag, Geiz is geil.«
    Genau so wird die Anreise. Mein Gehirn weigert sich, sich den weiteren Verlauf unseres Ausflugs vorzustellen. Eine psychische Präventivmaßnahme, damit ich nicht verrückt werde. Jetzt kann ich nur hoffen, dass die Busfahrt und der Eintritt hundert Euro kosten und die ganze Sache damit gestorben ist.
    Ich hasse den Heidepark
    Oh, welch Überraschung: Auch zwei Tage später sind weder Esra noch meine anderen Schüler im Reisebüro gewesen. Kein Grund für meine Klasse, nicht sofort wieder loszuzetern: »Sie haben es aber versprochen!«
    »NIE machen Sie, IMMER sagen Sie nur. NIE … IMMER … NIE … IMMER!«
    Ronnie hat sich in die ganze Heideparksache so reingesteigert, dass er heute gleich zu Hause geblieben ist. Der Rest der Klasse hasst mich. Ich bin die Böse, die ihnen den einzig schönen Tag in ihrem ganzen Leben ruiniert. Einigen kommt das Heidedrama wahrscheinlich ziemlich gelegen, denn wenn man sich über die fiese Frau Freitag aufregen kann, muss man sich ja nicht damit auseinandersetzen, dass man wahrscheinlich sitzenbleibt.
    Während ich die Inhalte der nächsten Klassenarbeit ansage, unterhalten sich Esra und Sabine darüber, dass man doch in Soltau noch eine Nachtwanderung machen sollte, damit wir am nächsten Tag gleich wieder in den Heidepark gehen können. Die haben irgendwie jeglichen Bezug zur Realität verloren.
    »Sabine«, sage ich, »stell dir mal vor, du möchtest zu Weihnachten unbedingt ein Fahrrad geschenkt bekommen. Du sagst es aber niemandem. Und dann bekommst du an Heiligabend KEIN Fahrrad. Ist es da gerecht, deine Eltern dafür verantwortlich zu machen?«
    Sabine guckt mich an: »Ich will kein Fahrrad. Ich will in den Heidepark.«
    »Ja, schon, aber genau das macht ihr gerade mit mir. Ich bin doch nicht dafür verantwortlich, dass ihr mir nicht gesagt habt, dass ihr da hin wollt. Und sorry, dass ich es mir nicht drei Jahre lang gemerkt habe. Ihr habt euch auch nicht unbedingt so verhalten, dass man permanent denkt, was könnte ich denn mit der tollen Klasse Schönes unternehmen.«
    »Aber ich schwöre, wir würden uns gut benehmen im Heidepark.« Es nützt alles nichts, sie wollen es nicht einsehen. Muss ich wohl bis zu den Ferien die Böse sein, und sie sind die armen, betrogenen Kinder.
    Mittags gucke ich dann doch, ob es irgendwo ein bescheuertes Busunternehmen gibt, das achtundzwanzig Leute nach Soltau transportiert. Das Leben als Schülerschleimer ist echt anstrengend.
    Am nächsten Tag bekomme ich allerdings einen Anflug von Panik: Ich kann doch nicht mit meiner Klasse alleine fahren. Schon aus rechtlichen Gründen nicht, wegen der Aufsicht, und dann ist da noch die Busfahrt und überhaupt. Am Vorabend habe ich noch ein Busunternehmen im Internet gefunden, das mir ein Angebot zuschicken will. Ich habe schon mal überschlagen: Wir müssen mindestens vierzig Leute sein, sonst wird das Ganze zu teuer. Ich muss jetzt auch noch einen Lehrer finden, der den Wert eines Heideparkbesuchs erkennt – für sich und für die Glückseligkeit seiner Klasse. Heidepark, oh, Heidepark – das artet alles langsam in Stress aus. Die Schüler haben das H-Wort am heutigen Tag überhaupt noch nicht erwähnt. Dafür spreche ich über nichts anderes:
    »Frau Hinrich, fährst du Heidepark mit mir? Am Wandertag? Alles bezahlt.«
    »Heidepark? Bist du noch zu retten, auf keinen Fall!«
    »Herr Werner, komm, lass uns Heidepark gehen, dann hast du das hinter dir.«
    »Heidepark. Bin ich lebensmüde? Wir gehen schön in eine Ausstellung, und das war’s dann.«
    »Anita, was ist mit dir,
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