Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag
Autoren: Frau Freitag
Vom Netzwerk:
1.
Setzt euch mal hin, wir wollen anfangen

    Das Handy ist kein Herzschrittmacher!
    »Niemand nimmt mir mein Handy ab! Niemand!«
    »Aber wenn Frau Schwalle sagt, du sollst ihr das Handy geben, dann musst du das auch machen!«, sage ich – betont ruhig. Frau Schwalle steht neben mir vor dem Lehrerzimmer. Sie hat Samira nach ihrer Stunde mitgeschleift, um sich bei mir zu beschweren. Frau Schwalle unterrichtet in meiner Klasse Physik und bekommt einfach kein Bein auf den Boden. Das Klingeln von Samiras Handy – mitten in der Stunde – war nur der Tropfen, der das Fass diverser Physikkatastrophen endgültig zum Überlaufen brachte.
    »Ich geb mein Handy aber nicht ab. Mir egal. Ich brauche mein Handy immer bei mir. Ich kann ohne mein Handy nicht leben!«
    Frau Schwalle: »Ich hatte Samira zum Direktor geschickt, weil sie sich weigerte, das Handy abzugeben.«
    »Samira, warst du beim Schulleiter?«, frage ich. (Was soll sie da?, frage ich mich.)
    »Nein. War ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Was sollte ich denn da?«
    »Tja, also …?« Ich weiß es auch nicht so genau.
    Frau Schwalle triumphierend: »Über das Handyverbot sprechen und über deinen Verstoß gegen die Schulordnung!«
    Samira: »Ich gebe mein Handy niemandem. Nicht mal dem Schulleiter! Ist mir doch egal, was in der Hausordnung steht.«
    Ich gucke Frau Schwalle an, dann Samira: »Also pass auf. Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du gibst jetzt Frau Schwalle das Handy und wenn du dich in der nächsten Stunde gut verhältst, bekommst du es vielleicht zurück.« Ich grinse kurz Frau Schwalle an, die mit versteinertem Gesicht neben mir steht. »Oder der Schulleiter muss dich in der nächsten Stunde aus dem Unterricht holen und dir dein Handy abnehmen. Das hat dann natürlich weitere Konsequenzen: Suspendierung, Anruf zu Hause, Tadel.«
    Samira guckt auf den Boden. Grimmig. Wer Samira besser kennt, würde ihr nie ein Handy oder überhaupt irgendetwas abnehmen. An ihr kann man kein Exempel statuieren. Sie ist stur und eigensinnig und man darf sie nicht zur Feindin haben. Ja, man will es gar nicht und muss es auch nicht. Samira ist eigentlich ein sehr vernünftiges Mädchen. Cool und stark, sehr ehrgeizig, aber eben auch stur.
    »Ich gebe mein Handy nicht ab«, sagt Samira und geht ohne uns noch einmal anzusehen.
    »Tja, Frau Schwalle, was nun?«
    Ich bezweifle, dass der Schulleiter Samira in der folgenden Stunde aus dem Unterricht holen wird. Wenn das in seiner Arbeitsplatzbeschreibung stünde, dann müsste er wahrscheinlich den ganzen Tag durchs Schulgebäude rennen. Da habe ich wohl etwas zu hoch gepokert, aber etwas Besseres fiel mir einfach nicht ein. Warum ist Frau Schwalle auch so unsensibel und lässt sich auf diesen doofen Streit ein. Jeder Konflikt mit Handys ist echt nervenaufreibend.
    Als wir uns gerade umdrehen wollen, um ins Lehrerzimmer zu gehen, steht plötzlich Samira vor uns. Sie sieht uns nicht an, steckt mir wortlos das Handy in die Jackentasche und rennt weg. Ich überreiche es glücklich strahlend Frau Schwalle: »Wenn Samira sich jetzt in der nächsten Stunde benimmt, kannste ihr das Handy ja wiedergeben. Würde ich jedenfalls machen, aber das musst du entscheiden.«
    Zufrieden gehe ich eine rauchen. Manchmal kommt es eben doch anders, als man denkt.
    Der schönste Beruf der Welt
    Ich bin Lehrerin und ich bedauere jeden, der nicht Lehrerin sein kann. Früher, als ich noch studierte, bin ich abends tanzen gegangen oder auf Partys, immer in der Hoffnung, dass etwas Großes, etwas Aufregendes passieren wird. Und obwohl eigentlich selten etwas Außergewöhnliches geschah, stand ich jeden Freitagabend wieder im Badezimmer und bereitete mich auf das Wochenende vor.
    Das brauche ich jetzt nicht mehr. Die Wochenenden verbringe ich horizontal auf meiner Couch und bin froh, wenn die Filme im Fernsehen möglichst ereignislos und vorhersehbar sind. Diskos und Wochenendtrips gibt es für mich nicht mehr. Partys sage ich regelmäßig ab, denn mein Bedarf an Action ist am Freitagnachmittag bereits gedeckt. Ich bin Lehrerin, und ich kann nur jedem, der sich nach einem Action-Alltag sehnt, raten, in der Schule zu arbeiten. Dort tobt das Leben. Dort passiert an einem Vormittag mehr als an allen meinen jugendlichen Wochenenden zusammen. Hätten wir Musik im Klassenraum, käme jede Unterrichtsstunde einer Tanzveranstaltung in einer Großraumdisko nahe – zwischen zwei und vier Uhr am Samstagmorgen. Die Vormittage sind ein Extrakt des Lebens, in dem sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher