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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag
Autoren: Frau Freitag
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Spiele auf. In der Gruppe D finde ich Deutschland. Deutschland ist rot, die anderen Länder sind schwarz.
    »Ah, hier, Serbien gegen Ghana, das ist doch unsere Gruppe. Und dann Deutschland gegen Australien.« Und darunter steht Deutschland gegen Serbien.
    »Boah«, sage ich gespielt entsetzt. »Das ist ja gemein. Voll fies von der FIFA.«
    »Was denn?« – »Was ist gemein, Frau Freitag?« Jetzt hab ich sie. Alle hören mir aufmerksam zu.
    »Na hier«, ich halte meinen Finger auf den Kasten mit der Gruppe D. »Das ist doch voll ungerecht, Deutschland spielt erst gegen Australien und am gleichen Tag müssen die auch noch gegen Serbien antreten.«
    »Das ist doch nicht am gleichen Tag, Frau Freitag.«
    »Doch hier guck doch mal, Abdul. Hier: erst Australien, und hier, gleich darunter: gegen Serbien. Da haben die doch gar keine Zeit, sich auszuruhen.«
    »Aber das ist nicht gleich danach. Gucken Sie!« Abdul zeigt mit dem Finger auf die winzigen Daten über den Ländernamen. »Hier, gegen Australien am 13. Juni und gegen Serbien am 18. Juni.«
    »Ach, echt? Ja, stimmt, darüber steht ja das Datum. Hab ich gar nicht gesehen. Das ist aber auch kompliziert, das muss man erst mal verstehen.«
    »Tja«, sagt Abdul stolz, »da muss man eben ganz genau hingucken!«
    Ich hole den Vertretungsplan von letzter Woche aus der Tasche: »Ach ja, Abdul? Genau hingucken? Dann erklär mir mal, weshalb du letzte Woche dreimal nicht bei Französisch warst. Hier steht doch, dass der Unterricht nicht ausgefallen ist.«
    Abduls Mund verkrampft sich. »Ach, Französisch, ich dachte … also, hab ich gar nicht gesehen.« »Ja, Abdul, wie du so schön sagtest: Da muss man eben mal ganz genau hingucken.«

8.
Endspurt
    Nie machen wir was Schönes!
    Jetzt kommen sie wieder gehäuft, die drei H-Wörter: Hurensohn, Hitzefrei und Heidepark.
    In der zweiten Stunde spricht mich eine mir unbekannte Schülerin an: »Frau Freitag, Sie fahren Wandertag Heidepark mit Ihre Klasse?«
    »Auf Keinen! Wie kommst du denn darauf?«
    »Ihre Klasse, alle sagen, Sie fahren Heidepark.«
    Der Heidepark Soltau ist ein riesiger Vergnügungspark in der Nähe von Hamburg. Der Wunsch, dieses Spaßparadies einmal im Leben zu besuchen, wird genetisch von Schülergeneration zu Schülergeneration weitergegeben. Das so vererbte Bedürfnis äußert sich dann in Intervallen, sobald das Wetter besser wird.
    In der fünften Stunde steht Samira vor der Tür. Sie macht ein besorgtes Gesicht. Oh Gott, denke ich, jetzt ist sie schon wieder aus dem Unterricht geflogen.
    »Was ist denn, Samira? Komm mal rein.«
    Sie schleicht zu mir und fragt: »Frau Freitag, stimmt es, dass wir nicht Heidepark fahren?« Für sie scheint die bloße Vorstellung, unsere Klasse könnte in den nächsten Wochen NICHT in den Heidepark fahren, dass Ende ihrer Existenz zu bedeuten.
    »Nein, Samira, wir fahren nicht in den Heidepark.« Ich sehe ihre kleine Welt in sich zusammenbrechen. Sie dreht sich um und zieht beleidigt ab.
    In der Pause laufe ich über den Gang in Richtung Lehrerzimmer. Plötzlich höre ich ein vorwurfsvolles »Frau Freitag!« hinter mir. Ich drehe mich um und blicke in die entsetzten Gesichter von Ayla und Marcella: »Frau Freitag, was heißt das, wir fahren nicht Heidepark?«
    »Ich verstehe die Frage nicht. Wer hat denn jemals gesagt, dass wir fahren?«
    »Na, die anderen fahren doch auch. Alle fahren. Warum wir nicht?«
    »Also, Ayla, es fährt nur die 9c.«
    »Aber warum fahren wir nicht?«
    »So was muss man doch organisieren. Habt ihr da was gebucht?«
    Ayla und Marcella sehen mich überrascht an. »Nö.«
    »Seht ihr, und ich habe auch keinen Bus organisiert. Und warum sollten wir überhaupt fahren? Ich höre von allen Lehrern immer nur, wie anstrengend ihr seid, ihr kommt immer zu spät. Und wenn ihr nicht zu spät kommt, dann schwänzt ihr.«
    »Frau Freitag, ich schwöre Ihnen, wenn wir Heidepark fahren, niemand wird zu spät kommen.«
    »Ach, Marcella, darum geht es doch gar nicht. Nur irgendwie habt ihr so eine Belohnung gar nicht verdient. Mit euren schlechten Noten und so. Vielleicht fahren wir nächstes Jahr.«
    »Nächstes Jahr geht nicht«, sagt Ayla.
    »Wieso?«
    »Frau Freitag, nächstes Jahr machen wir doch Klassenfahrt.«
    »Klassenfahrt? Wer macht Klassenfahrt? Wir machen doch keine Klassenfahrt!«, sage ich.
    Jetzt können sie nicht mehr. Mit einem »Was, keine Klassenfahrt?« drehen sie sich eingeschnappt um und gehen auf den Hof. Im Lehrerzimmer erzähle ich den
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