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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City
Autoren: Alastair Reynolds
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bemühen, seine Leistung zu übertreffen: durch eine längere Vertragsdauer oder anspruchsvollere Spielregeln.
    Natürlich würden wir Implantate verwenden, aber sie würden nicht so funktionieren wie das Gerät, das Waverly mir in den Schädel gepflanzt und Dominika freundlicherweise so rasch wieder entfernt hatte. Jäger und Gejagter sollten die gleichen Implantate tragen, und die Geräte wären so eingestellt, dass sie sich erst dann aktivierten und sendeten, wenn die Gegner eine bestimmte – ebenfalls vertraglich festgelegte – Entfernung voneinander unterschritten. Die Betroffenen sollten im entscheidenden Moment alarmiert werden – vielleicht durch ein Klingeln im Kopf oder etwas dergleichen. Und in dieser letzten Phase durften dann erstmals die Medien dazukommen, um das Ende mitzuerleben – wie es auch ausfallen mochte.
    Voronoff ließ sich schließlich überzeugen. Er wurde unser erster Kunde.
    Wir nannten unsere Firma Omega Point. Bald bekamen wir Konkurrenz, aber die belebte nur das Geschäft. Innerhalb eines Jahres war die alte Jagd in Vergessenheit geraten. Niemand wollte diesem Teil der Stadtgeschichte ein Denkmal setzen. Und dabei blieb es.
    Anfangs achteten wir noch darauf, dass die meisten unserer Klienten die Vertragsdauer überlebten. Entweder verloren unsere Killer im kritischen Moment die Fährte, oder sie verfehlten mit der im Vertrag festgelegten einschüssigen Waffe das Ziel. Auf diese Weise bauten wir einen ersten Kundenstamm auf und machten uns rasch einen Namen.
    Danach machten wir ernst. Wir gingen aufs Ganze; der Kunde hatte schwer zu kämpfen, wenn er das Ende seines Kontrakts erleben wollte.
    Doch die Mehrzahl schaffte es. Die Chancen, bei einem Schatten-Spiel getötet zu werden, lagen um die dreißig Prozent – niedrig genug, um niemanden von einer Teilnahme abzuschrecken, wenn er sich nur genügend langweilte –, aber doch spannend genug, um den Sieg, das Überleben begehrenswert zu machen.
    Omega Point wurde sehr reich. Zwei Jahre nach meiner Ankunft in Chasm City zählte ich zu den hundert wohlhabendsten – physischen und virtuellen – Personen des ganzen Yellowstone-Systems.
    Aber ich hatte das Versprechen nicht vergessen, das ich mir auf dem langen Flug nach Refugium gegeben hatte.
    Wenn ich überlebte, wollte ich alles verändern.
    Mit den Schatten hatte ich angefangen. Aber das genügte nicht. Die Stadt musste sich von Grund auf wandeln. Ich musste das System zerstören, das mir den Aufstieg ermöglicht hatte, ich musste das geheime Gleichgewicht zwischen Mulch und Baldachin erschüttern. Ich begann damit, dass ich meine ersten Jäger im Mulch anwarb. Das war kein großes Risiko, denn die Mulcher erwiesen sich als ebenso fähig wie alle Killer, die ich im Baldachin finden konnte – und sie waren nicht weniger aufgeschlossen für die Art der Ausbildung, die ich vertrat.
    Das Spiel hatte mich zum reichen Mann gemacht, und ich sorgte wiederum dafür, dass meine besten Spieler wohlhabender wurden, als sie es sich jemals hätten träumen lassen. Und ich konnte beobachten, wie ein Teil ihres Vermögens in den Mulch zurückfloss.
    Doch das war erst der Anfang. Vielleicht würde es Jahre – oder gar Jahrzehnte – dauern, bis sich die Hierarchie in Chasm City merklich änderte. Aber ich war sicher, dass es dazu kommen würde. Ich hatte es mir gelobt. Und obwohl ich in der Vergangenheit meine Gelübde immer wieder gebrochen hatte, war ich entschlossen, das nie wieder zu tun.
 
    Nach einer Weile nahm ich den Namen Tanner wieder an. Ich wusste, es war eine Lüge; ich hatte kein Recht dazu, denn ich hatte dem echten Tanner Mirabel zuerst seine Erinnerungen und dann sein Leben geraubt.
    Aber was spielte das für eine Rolle?
    Ich betrachtete mich als den Hüter seiner Erinnerungen; als den Hüter all dessen, was er gewesen war. Man konnte ihn nicht als guten Menschen bezeichnen, nicht, wenn man halbwegs vernünftige Maßstäbe anlegte. Er war roh und gewalttätig gewesen, hatte die Wissenschaften wie die Kunst des Tötens mit der kühlen Distanz eines Geometers betrieben. Aber er war nie ein von Grund auf schlechter Mensch gewesen, und in dem Augenblick, der letztlich sein Leben besiegelte – bei dem Schuss auf Gitta –, hatte er nur in bester Absicht gehandelt.
    Was hinterher mit ihm geschehen war; was ihn in ein Monstrum verwandelt hatte – das zählte nicht mehr. Es konnte das Bild des alten Tanner nicht beschmutzen.
    Ich fand, es sei ein Name wie jeder andere. Und ich würde
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