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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City
Autoren: Alastair Reynolds
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Körper auf und trugen sie – mit Trophäen beladene Gespenster, die in ihren dunklen Wald zurückkehrten – aus dem Lichtkegel.
    »Sie sind ein Stück Dreck«, knirschte ich.
    Reivich schob die Hand unter die Decke zurück. »Sie sind nicht tot«, sagte er. »Ich habe sie nur ruhig gestellt.«
    »Wieso?«
    »Das wüsste ich auch gerne«, sagte Tanner.
    »Sie störten die Symmetrie. Jetzt stehen Sie beide sich allein gegenüber. Verstehen Sie? So findet die Jagd ihren perfekten Abschluss.« Er neigte den Schädel in meine Richtung. »Sie müssen zugeben, das Bild ist von verführerischer Schlichtheit.«
    »Was wollen Sie?«, fragte Tanner.
    »Ich habe bereits, was ich wollte. Sie beide in einem Raum zusammen. Das hat es schon lange nicht mehr gegeben, nicht wahr?«
    »Nicht lange genug«, sagte ich. »Sie wissen mehr, als Sie bisher zugegeben hatten?«
    »Um es anders auszudrücken: Die Informationen, die ich gesammelt hatte, bevor ich Sky’s Edge verließ, waren, gelinde gesagt, faszinierend.«
    »Vielleicht wissen Sie sogar mehr als ich«, sagte ich.
    Reivichs Waffe kam wieder unter der Decke hervor. Diesmal war sie auf Tanner gerichtet. Obwohl Reivich die Mündung nur ungefähr in seine Richtung hielt, erreichte er, was er wollte. Tanner trat zurück, bis er vom Sessel etwa den gleichen Abstand hatte wie ich. Dann sagte Reivich: »Warum erzählen Sie mir nicht beide, woran sie sich erinnern? Dann kann ich die Lücken füllen.« Er nickte Tanner zu. »Sie können anfangen.«
    »Und womit soll ich beginnen?«
    »Mit dem Tod von Cahuellas Frau, den Sie ja verschuldet haben.«
    Seltsamerweise fühlte ich mich genötigt, ihn zu verteidigen. »Er hat sie doch nicht absichtlich getötet, Sie Scheißkerl. Er wollte ihr das Leben retten.«
    »Was spielt das für eine Rolle?«, fragte Tanner verächtlich. »Ich habe nur getan, was ich tun musste.«
    »Leider war es ein Fehlschuss«, sagte Reivich.
    Tanner schien das überhört zu haben. Er hatte angefangen zu berichten, was er noch wusste. »Vielleicht war es ein Fehlschuss; vielleicht aber auch nicht. Vielleicht wollte ich sie lieber töten, als zusehen zu müssen, wie sie weiterlebte, ohne mir zu gehören.«
    »Nein«, sagte ich. »So war es nicht. Sie wollten sie retten…«
    Dabei war ich gar nicht sicher, wie viel ich tatsächlich wusste.
    Tanner fuhr fort. »Hinterher war mir sofort klar, dass Gitta nicht mehr zu helfen war. Aber Cahuella konnte ich retten. Seine Verletzungen waren nicht so schwer. Deshalb erhielt ich sie beide am Leben und brachte sie ins Reptilienhaus zurück.«
    Ich nickte unwillkürlich. Die Fahrt durch den Dschungel hatte endlos lange gedauert, und der Stumpf meines abgeschossenen Fußes hatte mir wahre Höllenqualen bereitet. Aber das ist nicht mir widerfahren…es sind Tanners Erlebnisse, ich weiß nur aus seinen Erinnerungen davon…
    »Bei meiner Ankunft wurde ich von Cahuellas Leuten in Empfang genommen. Sie nahmen mir die beiden Verletzten ab und taten für Gitta, was sie konnten, obwohl sie wussten, dass es sinnlos war. Cahuella lag mehrere Tage im Koma, kam aber irgendwann wieder zu sich. Doch er hatte kaum Erinnerungen an das Geschehen bewahrt.«
    Ich erinnerte mich, wie ich nach langem, traumlosem Schlaf von Fieber geschüttelt erwacht war und mit Sicherheit nur eines wusste: ich war aufgespießt worden. Und ich erinnerte mich, dass ich sonst nichts mehr gewusst hatte. Als ich nach Tanner rief, sagte man mir, er sei verletzt, aber am Leben. Niemand erwähnte Gitta.
    »Dann kam Tanner mich besuchen«, nahm ich den Faden auf. »Ich sah, dass er einen Fuß verloren hatte, und begriff, dass uns etwas Schreckliches zugestoßen sein musste. Aber ich wusste nicht viel mehr, als dass wir nach Norden gefahren waren, um Reivichs Trupp in einen Hinterhalt zu locken.«
    »Sie fragten nach Gitta. Sie hatten nicht vergessen, dass sie dabei gewesen war.«
    Wie hinter dicken Gazeschichten tauchten in meinem Gedächtnis Bruchstücke jenes längst vergangenen Gespräches auf.
    »Und Sie legten ein volles Geständnis ab. Sie hätten lügen – hätten eine Geschichte erfinden können, die Sie schützte. Sie hätten behaupten können, Reivichs Killer hätte sie getötet – aber das taten Sie nicht. Sie erzählten mir alles genau so, wie es geschehen war.«
    »Was hätte es für einen Sinn gehabt zu lügen?«, fragte Tanner. »Irgendwann wäre Ihr Gedächtnis ja doch wiedergekommen.«
    »Aber Sie müssen es doch gewusst haben.«
    »Was muss er gewusst
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