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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City
Autoren: Alastair Reynolds
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waren, wusste er die ganze Zeit, dass der Scan missglückt war und dass er sterben würde.«
    »Heißt das, er hat gewonnen?«, fragte Zebra. »Oder hat er alles verloren?«
    Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie. »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Nichts spielt mehr eine Rolle. Tanner, Cahuella, Reivich – sie sind alle tot.«
    »Alle?«
    »Jedenfalls, so weit es darauf ankommt.«
    Als Zebra und Amelia gegangen waren, starrte ich noch eine Ewigkeit lang in das diffuse goldene Licht. Ich war müde; diese überwältigende Müdigkeit, die zu schwer auf einem lastet, als dass man ihr in den Schlaf entkommen könnte. Irgendwann kam der Schlaf dann aber doch. Und mit ihm die Träume. Ich hatte gehofft, davon verschont zu bleiben, aber in den Träumen war ich wieder in dem weißen Raum und spürte die Urangst vor dem, was dort geschehen war; was mir widerfahren war; was ich mir selbst angetan hatte.
 
    Später – viel später – kehrte ich nach Chasm City zurück. Es war eine lange Reise, und ich machte Zwischenstation am Habitat der Eisbettler und setzte Amelia dort ab, damit sie ihre Pflichten wieder aufnehmen konnte. Sie hatte die turbulenten Ereignisse bemerkenswert gut überstanden, und als ich mich erbot, ihr irgendwie zu helfen – ohne so recht zu wissen, wie –, lehnte sie ab und bat mich stattdessen um eine Spende für die Eisbettler, sobald ich mich dazu imstande sähe.
    Das versprach ich ihr. Und ich habe mein Versprechen gehalten.
    Quirrenbach, Zebra und ich verabredeten uns mit Voronoff, sobald wir wieder im Baldachin waren.
    »Es geht um das Große Spiel«, sagte ich. »Wir schlagen vor, die gesamte Inszenierung von Grund auf umzugestalten.«
    »Und warum sollte mich das interessieren?«, gähnte Voronoff.
    »Lass uns doch erst einmal ausreden«, mahnte Quirrenbach, und dann erklärte er ihm das System, das wir drei nach dem Aufenthalt in Refugium ausgearbeitet hatten. Es war ziemlich kompliziert, und es dauerte einige Zeit, bis wir zu Voronoff durchdrangen. Doch dann dämmerte ihm allmählich, worum es ging.
    Er hörte sich unsere Vorstellungen an.
    Und erklärte sich schließlich durchaus davon angetan. Vielleicht ließen sich unsere Ideen ja sogar verwirklichen.
    Wir planten eine neue Form der Jagd; ein Spiel, das wir Schatten nennen wollten. In den Grundzügen hatte es viel Ähnlichkeit mit dem alten Großen Spiel, das sich nach der Seuche in der Stadt zu einem verbotenen Zeitvertreib entwickelt hatte. Doch in den Einzelheiten sollte es sich drastisch unterscheiden. Wir wollten das Große Spiel aus der Illegalität herausholen und ins Rampenlicht bringen, die Finanzierung durch Sponsoren regeln und dem Ganzen eine Struktur geben, die auch Berichte und Kommentare für all jene einschloss, die das Spektakel einer Menschenjagd aus zweiter Hand erleben wollten. Bei uns waren die Jäger nicht nur Kinder reicher Leute, die eine aufregende Nacht erleben wollten, sondern gut ausgebildete Experten; Berufskiller. Wir wollten sie nicht nur professionell schulen, sondern auch differenzierte Identitäten für sie erfinden, einen Persönlichkeitskult aufbauen, der das Große Spiel in den Rang einer Kunstform erhob. Natürlich würden wir zunächst unter den derzeit aktiven Spielern die besten auswählen. Chanterelle Sammartini hatte sich schon bereiterklärt, als Erste in unsere Dienste zu treten. Ich zweifelte nicht daran, dass sie für die Rolle perfekt geeignet war.
    Aber die Veränderungen beschränkten sich nicht nur auf die Jäger.
    Bei uns gab es auch keine Opfer. Die Gejagten waren Freiwillige. Das klang verrückt, aber genau das war der Punkt, für den sich Voronoff sofort erwärmen konnte.
    Die Überlebenden hatten nichts zu gewinnen als das Leben selbst. Aber dieses Leben war mit einem ungeheuren Prestige verbunden. An Freiwilligen würde es uns sicher nicht mangeln: der Baldachin war schließlich ein einziges Reservoir gelangweilter, wohlhabender Beinahe-Unsterblicher. Das Große Spiel in unserer neuen Form bot ihnen endlich eine Möglichkeit, ihr Leben unter kontrollierten Bedingungen etwas aufregender zu gestalten. Wir wollten mit jedem Bewerber einen Kontrakt abschließen, in dem die Regeln für die jeweilige Jagd einzeln aufgeführt waren: die Dauer, das Gelände und die Art der Waffen, die vom Killer zugestanden wurden. Ein Gejagter brauchte nur bis zum Ende des Vertrages am Leben zu bleiben, dann war er berühmt und wurde von aller Welt beneidet. Andere würden ihm folgen und sich
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