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Charlie + Leo

Charlie + Leo

Titel: Charlie + Leo
Autoren: Jochen Till
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gegoogelt und schon habe ich einen Anbieter gefunden, der mir völlig unbekannt ist. Jetzt brauche ich nur noch einen Namen, der mit meinem absolut nichts gemeinsam, aber trotzdem etwas mit Comics zu tun hat. Das sollte kein Problem sein. Ich durchforste mein Hirn nach meinen Lieblingscomicfiguren.
    Asterix? Nein, zu einfach. Lucky Luke auch. Es müsste etwas sein, das nicht jeder kennt. Etwas wi e … Ja, das wäre doch nicht schlecht. Kennt ihr »Bone«? Wahrscheinlich nicht. Solltet ihr aber. Sehr toller Comic, eine Mischung aus Fantasy und Abenteuer und dazu noch sehr witzig. Da kommt sogar ein Drache vor, aber ein sehr cooler, der geht nicht mal mir auf den Sack.
    In »Bone« dreht sich alles um Fone Bone und seine beiden Cousins, die aus ihrer Heimat Boneville verjagt werden und so in ein unbekanntes Land mit Drachen und Rattenmonstern und einem Haufen anderer seltsamer Gestalten kommen und dort jede Menge Abenteuer erleben. Die Bones sind ganz weiß und ziemlich klein, sehen ein bisschen aus wie Geister, sind aber keine. Fone Bone, der Held der Geschichte, verliebt sich in Thorn und Thorn ist eine Prinzessin, wie sich später herausstellt. Also wenn das nicht der perfekte Deckname für mich ist, weiß ich auch nicht. Ich tippe fonebone ein und kriege jede Menge Vorschläge für mögliche Mailadressen mit diesem Namen. Ein Klick und das war’s schon, ich habe eine neue Mailadresse.
    Ich öffne eine neue Mail, füge das Bild ein und bewege den Mauszeiger auf »Senden«. Jetzt, Charlie Brown. Schick das Ding endlich ab, Charlie Brown. Mein Zeigefinger krümmt sich. Bei drei. Los jetzt! Ein s … zwe i …
    Plötzlich springt meine Tür auf. Ich zucke erschrocken zusammen und drehe mich um.
    »Yo, Alder! Was geht? Alles klar in Sansibar? Check mal mein neues Outfit! Hab ich alles in Berlin gekauft. Echt krasse Läden da, Alder! Gangsta-Style bis zum Abwinken!«
    Ach du Scheiße, wie sieht der denn aus?! Das ist ja noch schlimmer als sonst. Ich muss mich beherrschen, nicht laut loszulachen. Ein bisschen muss ich trotzdem lachen, weil ich mich freue, ihn zu sehen.
    »Ingo! Seit wann bist du wieder hier?«
    Ingo wohnt nebenan. Wir kennen uns schon ewig. Er ist so was wie mein einziger richtiger und somit bester Freund. Und das, obwohl wir eigentlich sehr wenig gemeinsam habe n – bis auf die Tatsache, dass er auch ein Außenseiter ist und sonst keine Freunde hat. Was wahrscheinlich unter anderem daran liegt, dass er sich so schrecklich anzieht. Ingo ist fest davon überzeugt, dass er später mal ein berühmter Gangsta-Rapper wird. Nein, falsch, er ist jetzt schon davon überzeugt, einer zu sein. Das Problem ist nur, dass er keine anderen Gangsta-Rapper kennt und keine Ahnung davon hat, wie Gangsta-Rapper sich wirklich anziehen und wie sie reden und so weiter. Alles, was er darüber zu wissen glaubt, hat er aus dem Internet und einem zerfledderten Hip-Hop-Lexikon von 1999, das er letztes Jahr im Altpapiercontainer gefunden hat. Und dann wäre da noch ein grundsätzliches Problem: Sosehr er auch versucht, einen auf harten, brutalen, fiesen Gangsta zu machen, Ingo ist und bleibt einfach immer ein total lieber und herzensguter Kerl. Er hilft alten Leuten über die Straße. Auch wenn sie gar nicht auf die andere Seite wollen. Und er hebt jeden Fitzel Papier auf dem Bürgersteig auf und wirft ihn in den nächsten Mülleimer. Und wenn ihn jemand nach dem Weg fragt, dann erklärt er ihm den Weg nicht nur, sondern bringt ihn höchstpersönlich hin. Echt jetzt, ohne Scheiß, solche Sachen bringt er ständig. Ingo ist echt ein lausiger Gangst a – aber genau deshalb mag ich ihn ja so sehr.
    »Gestern Abend«, sagt mein bester Freund. »Mann, das war vielleicht geil in Berlin. Oberkrasse Hip-Hop-Scene. Jetzt sag doch mal was zu meinem Outfit. Total abgefahren, oder?«
    Allerdings. Total abgefahren. Die Frage ist nur: wohin? Ins Land der Geschmacklosigkeit? In die Unterwelt der abscheulichsten Modeverbrechen? Ganz im Ernst, ich habe noch nie eine so hässliche, viel zu große, neonorange Jogginghose gesehen. Und in dieses giftgrüne Sweatshirt würde 5 0 Cent locker dreimal reinpassen, samt Bodyguards. Dazu noch diese Sneakers in Pipigelb und Tonnen von Goldketten um seinen Hals, die nie im Leben echt sind. Die Krönung ist allerdings ein knallrotes Basecap mit zwei gekreuzten Pistolen vorne drauf, das auf seinem Kopf geradeso Platz hat. Also wenn das einen Gangsta darstellen soll, dann lebt er allerhöchstens in Gotham City
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