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Change

Change

Titel: Change
Autoren: Luisa Raphael
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versunken. Ich spürte, wie sich Tränen der Rührung in meinen Augen sammelten, verstohlen wischte ich sie weg. Zu meinem Glück war es zu dunkel, als das man sie sogleich erkennen konnte. Allein diese kurze Erzählung rief so viele wunderschöne und traurige Erinnerungen in mir wach, dass ich Gefahr lief, mich in ebenjenen Erinnerungen zu verlieren. Schon driftete mein Geist ab in jene Zeit, hatte ich diese einzigartigen Momente wieder vor Augen.
    Es war Mikes warme Stimme, die mich in die Realität zurückholte.
    „Er?“ Die Silbe hing in der Luft, fragend hallte sie nach. Ich nickte langsam. Es wurde Zeit, auch dies zu offenbaren.
    „Ja, er war ein Junge.“
    Ich seufzte, wich Mikes sich geradezu in meine Augen brennenden Blick aus und fuhr fort: „Ich bin bisexuell.“, meinte ich schlicht, „mit Tendenz zu schwul. Und ich bin an dir mehr als interessiert.“, ergänzte in Gedanken meine Ansage. Doch das konnte ich Mike nicht sagen, er sah so bereits überrascht genug aus. Er schwieg geraume Zeit.
    „Wow, das hätte ich echt nicht erwartet. Was wurde denn aus deinem Freund?“, meldete er sich schließlich zu Wort, ich vernahm das unruhige Zittern in seiner Stimme, das mir zeigte, dass es ihm nicht geheuer war, was er gerade erfahren hatte. Ich seufzte nochmals, ein wenig enttäuscht. Dann sah ich ihn direkt an.
    „Er ist gestorben.“, presste ich mit stählerner Stimme heraus, bevor ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Es tat so weh, noch immer war der Schmerz unbeschreiblich, noch immer litt ich. Ich wollte nur, dass es aufhören würde, dass ich endlich mit der Vergangenheit abschließen konnte. Doch anscheinend war dies noch ein weiter Weg.
    Vor meinen Augen verschwammen Mikes Züge, ich nahm ihn erst wieder war, als er mich in eine stille Umarmung zog, mich festhielt, ohne Worte, einfach nur eine Schulter darbot, an die ich mich lehnen konnte in dieser Nacht.
     

36. Kapitel
     
     
    Juli 1998 – Aiden
     
     
    Es sollte tatsächlich noch zwei ganze Monate dauern, bis die ehemalige Band ‘Sudden Thing’, die nun ‘Fuse’ hieß, ihren neuen Sänger bekannt gab. Zwei ganze Monate, die bestimmt waren von immer wieder kehrenden Proben im Studio, einigen wenigen kleinen Auftritten, einer Menge Arbeit an neuen Songs, sowie der langsam immer enger werdenden Freundschaft zwischen mir und zwei der Bandmitglieder – Mike und Sebastian. Auch mit Dylan und Dexter verstand ich mich immer besser, ich begriff, wie ich mit den beiden umzugehen hatte. Um mit Jay, dem manchmal etwas irren, aber unglaublich kreativen Turntablist klarzukommen, brauchte ich nochmals länger. Er schüchterte mich am meisten von der Band ein, doch ich verstand auch, warum er ein unersetzliches Mitglied war – besonders Mike war seine Meinung sehr wichtig. Und Mike – nun, ihm konnte ich nicht widersprechen. Stattdessen tat ich alles, um unsere Freundschaft zu vertiefen – auch auf die Hoffnung hin, dass unsere Beziehung eines Tages mehr als Freundschaft sein würde.
    In dieser Hinsicht war ich sowohl egoistisch als auch starrköpfig. Egoistisch, weil ich meine Ehe mit Caroline, fast ohne Bedauern zu empfinden, opferte. Noch hatte ich ihr nicht gesagt, warum ich mich scheiden lassen wollte – aber ich hatte immerhin schon erklärt, dass ich es wollte. Einer der schwersten Aufgaben des letzten Monats – ich war extra zu ihr geflogen, um es ihr Angesicht zu Angesicht zu eröffnen. Mit Verständnis ihrerseits hatte ich nicht gerechnet – und ich hatte sie auch gut eingeschätzt – sie schrie mich an, weinte und verlangte immerzu zu wissen, warum ich dies plötzlich wollte. Sie suchte die Schuld bei sich, ging unsere vergangene Beziehung durch, ohne eine Ursache zu finden. Den wahren Grund blieb ich ihr schuldig – ich schwieg eisern. Meine Gewissensbisse und die Trauer ignorierte ich, verdrängte sie rasch. Vermutlich hätte ich dies wirklich nicht tun sollen – mein Handeln verletzte sie unglaublich tief und das ich nicht einmal Bedauern zeigte, steigerte ihre Qual zusätzlich. Ich hatte mich verdammt egoistisch und unmoralisch verhalten – doch gleichzeitig war ich danach froh, diese Sache eindeutig geregelt zu haben. Als ich zurückkehrte, erzählte ich den anderen nichts darüber, dass ich dabei war, meine Ehe scheiden zu lassen. Sie blieben in dem Glauben, ich hätte Carol besucht, um sie wiederzusehen und Zeit mit ihr zu verbringen. Die Wahrheit konnte ich nicht über meine verzagenden Lippen bringen, zu
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