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Change

Change

Titel: Change
Autoren: Luisa Raphael
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groß war meine Furcht, ich würde damit etwas auslösen, dass meine innig begehrte Zukunft in der Band beeinträchtigen würde. Es gab sicherlich verschiedene Interpretationsarten meiner Aktion, und besonders vor einer fürchtete ich mich: vor der Wahrheit. Dank meines Starrsinns wusste Mike, das ich bisexuell war – und zusammen mit seinen verwirrenden Erinnerungen an seine Visionen, die selbst mir ein Rätsel blieben und von denen ich nicht sagen konnte, wie viel sie dem an sich zweifelnden Mike gezeigt hatten, konnte er durchaus zu dem Schluss kommen, das ich an ihm interessiert sein könnte. Erschwerend kam hinzu, dass ein aufmerksamer Beobachter wohl ohne weiteres in meinem Handeln mein Interesse an dem schwarzhaarigen Emcee der Band herauslesen konnte – doch glücklicherweise schien diese Möglichkeit weit außerhalb des Horizontes der Menschen zu liegen, die Einblick in meine Umgangsweise mit Mike hatten.
    Und so trat ich oftmals auf der Stelle, hatte kaum das Gefühl, wirklich etwas zu bewirken in diesen zwei Monaten. Mit jemandem zusammen zu arbeiten, der meiner alten und noch immer mein Herz bestimmenden Liebe so sehr ähnelte, das es schmerzte, und der dennoch ein anderer war, war schmerzlicher als ich anfangs gedacht hatte. Und mein Leid, hervorgehend aus dem ständigen Zweifel, die mich in Bezug auf meine Chance bei Mike quälten, dem Gefühl des Alleinseins und der Ausgeschlossenheit, sowie der immer größer werdenden Verzweiflung, steigerte sich von Woche zu Woche, Tag zu Tag. Schon schlich sich der Gedanke in meinen Kopf, ob ich nicht besser fort gehen sollte, um mich nicht mehr diesem Quell an Seelenqualen auszusetzen. Doch gleichzeitig wusste ich, dass dies nie etwas ändern würde. Keine räumliche Distanz würde in der Lage sein, meinen Kopf davon abzuhalten, an Michael Ishida zu denken. Und so blieb ich.
    Es sollte sich am Ende lohnen.
     
    „Aiden! Wir haben einen Entschluss gefasst – wenn du noch immer daran Interesse hast, Sänger von ‘Fuse’ zu werden, dann lass dir sagen: wir würden dich gern als Sänger haben.“, sprach Dexter die unglaublichen Worte eines heißen Julinachmittags einfach aus. Die ganze Band sowie Derek Connor und ein paar Freunde von Mike und Dexter saßen in dem gemieteten Raum, in dem wir sonst immer probten. Es gab freilich schönere Orte, doch da wir uns den Proberaum im Studio nicht mehr hatten leisten können, waren wir kurzerhand hierher umgezogen. Die unverputzten wände störten nun nicht mehr, nachdem man sich daran gewöhnt hatte. Doch zum Musik machen eignete sich der raum genauso wie jeder andere – hier störten wir nicht einmal die Nachbarn, weil unser Proberaum nur Industriegebäude in der näheren Nachbarschaft hatte.
    Es vergingen tatsächlich mehrere Augenblicke, in denen mir der Gedanke, dass ich entweder träumen musste oder das Dexter mich aufzog, durch den Kopf gingen. Wie konnte er ernsthaft die Frage stellen, ob ich noch wollte? Die Tatsache, dass ich immer noch hier war, beantwortete doch jede solcher Fragen, räumte alle Zweifel aus dem Weg. Ich würde doch niemals hier bleiben – über mehrere Monate, mehrere Tausend Kilometer von meinem zu Hause entfernt, wenn ich nicht unbedingt in diese Band hätte wollen würden.
    „Natürlich habe ich Interesse.“, antwortete ich nach einer geraumen Weile, die sarkastische Erwiderung, die mir auf der Zunge gelegen hatte, schluckte ich ungesagt wieder herunter. So sicher fühlte ich mich doch noch nicht, so ganz hatte ich es auch noch nicht realisiert, das ich jetzt wirklich zu ihnen dazu gehörte und keine Angst mehr haben brauchte, dass mich jemand ablösen konnte, der besser gefiel.
    „Wirklich? Immerhin sind wir dir ganz schön auf den Leim gegangen und haben dich nicht gerade nett behandelt, dich lange warten lassen…“, Mike verstummte, ein unsicherer Ausdruck huschte über sein Gesicht. Ich konnte nicht anders, als ihn entgeistert anzustarren. Dachten sie wirklich, ich würde jetzt noch die Fliege machen? Niemals!
    „Spinnst du? Das war doch nicht der Rede wert – ich kann das ab – und ja, ich will immer noch!“, brachte ich ihm noch einmal eindringlich nach, bevor ich grinsen musste. Ich sah mich in dem Kreis der jungen Leute um, und fast gleichzeitig erschien auch auf den anderen Gesichtern ein Lächeln. Mein Blick blieb an dem unglaublich breit grinsenden Mike hängen – sein Lächeln war mit Abstand das einnehmendste – und plötzlich stand er auf und schneller als ich es
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