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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz
Autoren: Terry Pratchett
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Wind heulte. Gewitter prasselte und krachte über den Bergen. Blitze tasteten über die Gipfel wie ein alter Mann, der versuchte, einen widerspenstigen Brombeerkern aus seinem Gebiß zu entfernen.
    Zwischen den zischenden Stechginsterbüschen züngelten die Flammen eines Feuers in den Böen hin und her.
    Eine unheimliche Stimme kreischte: »Wann werd’n wir… zwei… uns wiedersehen?«
    Donner grollte.
    Eine weitaus normaler klingende Stimme erwiderte: »Warum schreist du so? Mir ist die Scheibe Brot ins Feuer gefallen.«
    Nanny Ogg setzte sich wieder.
    »Entschuldige, Esme. Ich dachte dabei nur an die… du weißt schon… die gute alte Zeit. Tja, es kommt nicht glatt über die Zunge, oder?«
    »Sie war gerade hübsch braun.«
    »Tut mir leid.«
    »Es gab überhaupt keinen Grund, so laut zu schreien.«
    »Bitte um Verzeihung.«
    »Ich meine, schließlich bin ich nicht taub. Du hättest mich in normalem Tonfall fragen können. Dann hätte ich geantwortet: Nächsten Mittwoch.«
    »Ich bin untröstlich, Esme.«
    »Schneid mir eine neue Scheibe ab.«
    Nanny Ogg nickte und drehte den Kopf. »Magrat, schneid Oma eine… Oh. Die Macht der Gewohnheit. Ich schätze, ich sollte mich selbst darum kümmern.«
    »Ha!« machte Oma Wetterwachs und starrte ins Feuer.
    Eine Zeitlang blieb alles still, abgesehen vom Heulen des Winds und den charakteristischen Geräuschen, die eine Brot schneidende Nanny Ogg verursachte. Sie legte dabei ebensoviel Geschick an den Tag wie jemand, der versuchte, mit einer Kettensäge eine Matratze zu sezieren.
    »Ich dachte, der Ausflug hierher würde dich ein wenig aufmuntern«, sagte Nanny nach einer Weile.
    »Ach.« Das klang nicht nach einer Frage.
    »Ich habe gehofft, dich damit ein wenig ablenken zu können«, meinte Nanny Ogg und beobachtete ihre Freundin aufmerksam.
    »Wovon denn?« entgegnete Oma Wetterwachs. Sie blickte weiter verdrießlich ins Feuer.
    Meine Güte, dachte Nanny. Das hätte ich nicht sagen sollen.
    Eigentlich lief alles darauf hinaus, daß Nanny Ogg besorgt war. Sogar sehr besorgt. Sie fragte sich immer wieder, ob Esme vielleicht… ob bei ihr die Gefahr bestand, daß sie… in gewisser Weise… zu einer schwarzen Esme wurde.
    Bei den wirklich mächtigen Hexen geschah das recht häufig. Und Oma Wetterwachs zählte zweifellos zu den besonders mächtigen Exemplaren. Vermutlich gingen ihre Fähigkeiten selbst über die der berüchtigten Schwarzen Aliss hinaus, und alle wußten, was mit der zum Schluß passiert war: Zwei Kinder hatten sie in ihren eigenen Backofen gesperrt. Und alle fanden, das sei auch ganz gut so – obgleich es eine Woche dauerte, den Ofen zu reinigen.
    Bis zu jenem schrecklichen Tag hatte Aliss die Spitzhornberge terrorisiert. Sie konnte so gut mit Magie umgehen, daß es in ihrem Kopf für etwas anderes keinen Platz mehr gab.
    Es hieß, daß Waffen nichts gegen sie ausrichteten. Messer prallten einfach an ihrer Haut ab. Angeblich hörte man ihr irres Lachen schon aus einer Entfernung von anderthalb Kilometern. Irres Lachen gehörte unter gewissen Umständen zum normalen Handwerkszeug einer Hexe, aber in ihrem Fall war es verrücktes irres Lachen, die schlimmste Sorte. Außerdem verwandelte sie Leute in Lebkuchen und besaß ein Haus aus Fröschen. Ja, zum Ende hin wurde die Sache wirklich übel. Wie immer, wenn eine Hexe durchdrehte.
    Nun, manchmal drehten sie nicht in dem Sinne durch, sondern rasteten nur aus und… verschwanden.
    Omas Intellekt brauchte Beschäftigung. Auf Langeweile reagierte sie kritisch. Zum Beispiel legte sie sich ins Bett und begann mit dem Borgen: Sie schickte ihren Geist auf die Reise und kroch ins Selbst irgendeines Waldgeschöpfs, um mit seinen Ohren zu hören, mit seinen Augen zu sehen. Im großen und ganzen gab es daran nichts auszusetzen, aber Oma Wetterwachs verstand sich zu gut darauf. Sie konnte länger fortbleiben als alle anderen Hexen, die Nanny kannte.
    Vielleicht hielt sie es irgendwann einfach nicht mehr für nötig, von einem solchen Streifzug zurückzukehren… Und dies war die schlimmste Jahreszeit. Jeden Abend zogen Wildgänse über den Himmel, und auch die kühle Herbstluft lud zu einer Reise ein. Die gesamte Atmosphäre hatte etwas sehr Verlockendes.
    Nanny Ogg ahnte die Ursache des Problems.
    Sie hüstelte.
    »Neulich habe ich Magrat gesehen«, sagte sie und warf Oma einen kurzen Blick zu.
    Keine Reaktion.
    »Sie sah gut aus. Das Leben als Königin scheint ihr zu bekommen.«
    »Hmm.«
    Nanny stöhnte innerlich.
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