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Change

Change

Titel: Change
Autoren: Luisa Raphael
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richtig realisieren konnte, hatte er mich umarmt, hob mich fast hoch in seiner Euphorie. Ich erschrak, mit dieser Reaktion vonseiten Mike hätte ich wohl nicht gerechnet. Kurz verkrampfte ich mich, doch dann erwiderte ich die Umarmung, schlang meine Arme um ihn, versuchte unauffällig meine Nase in seinem Pullover zu vergraben, sog den vertrauten, sauberen Geruch von Wachmittel, Haarshampoo, Schweiß und Mikes so eigenen Duft tief in meine Lungen. Es war wie Magie – wieder einmal war ich wie verzaubert, versteifte mich, bevor wieder die Traurigkeit in mir aufflockte. Es war die Erinnerung daran, wie Mike eine solche Umarmung in etwas verwandelt hatte, das mir ungleich viel mehr gefallen hatte – in meiner Erinnerung spürte ich die warmen, starken Hände auf meiner bloßen Haut, hatte seinen Geruch in der Nase, seinen Körper ganz dicht an meinem, seine Lippen auf meinen. Doch die Realität sah anders aus. Mikes Umarmung war rein freundschaftlich – doch musste das immer so bleiben?
    Keiner würde mir darauf antworten können, daher verscheuchte ich den Gedanken und ließ Mike wieder los, schob ihn sanft von mir. Er lächelte mich noch immer an, so strahlend schön, dass ich spürte, wie mein eigenes Lächeln sich unglücklich verzog.
    „Das müssen wir feiern, oder nicht?“, unterbrach Sebastian meine Gedanken, bevor Mike etwas auffallen konnte an mir. Erleichtert atmete ich auf, während um mich herum alle Sebastian zustimmten. Er schien den Nagel auf dem Kopf getroffen zu haben mit seiner Idee. Dexter wollte sogleich losmarschieren und Getränke besorgen, während Derek die Idee hatte, dabei zu grillen – er wollte uns seinen Grill und Garten zur Verfügung stellen – was wir natürlich sofort annahmen. Ich musste zum Glück nicht mal etwas machen, Mike nahm mich in seinem Auto mit, wir transportieren einige Akustikgitarren mit zu Derek. Zu einer Feier gehörte schließlich auch Musik, besonders in unserem Falle. Dexter und Dylan wollten Getränke kaufen und wofür Sebastian, Jay und Derek eingeteilt waren,  war mir entgangen.
    Bevor die Déjà-Vus zu übermächtig werden konnten, die mich während der Autofahrt neben Mike überkamen, kamen wir an. Nicht als erste, doch richtig aufblühen tat die Stimmung erst, als Dexter mit den Bierkästen kam. Da ich kein Spielverderber sein wollte, trank ich eines, obwohl es mir nicht schmeckte und ich es auch vorzog, bei klarem Verstand zu sein als mich zu betrinken. Doch für ein wenig Mut sorgte das Bier dann schon – ich wurde plötzlich redseliger und musste mich tatsächlich öfters selbst zügeln. Doch auch bei den anderen wirkte der Alkohol, den sie in größeren Massen tranken als ich, sehr bald. Dexter wurde brummig, stritt sich dann sogar mit Mike, der daraufhin zu mir kam. Worum der Streit ging, wusste ich nicht – doch nun hatte ich Mikes Aufmerksamkeit und war in seiner direkten Nähe – etwas, das mich unwahrscheinlich freute – noch immer.
    Auch wenn ich mich im Laufe des Abends ein wenig über Mike ärgerte – früher hatte ich nie erlebt, das er Alkohol getrunken hatte, doch schüttete er erschreckend viel in sich hinein, trotz Sebastians Warnung und Ratschlag, Ich solle aufpassen, dass er nicht so viel trinke, da er keinen Alkohol vertrug. Doch ich konnte nicht viel tun – Mike ließ sich nichts von mir sagen. Er hörte geradezu weg, wenn ich versuchte, zu ihm durchzudringen. Es tat weh, dass er so wenig auf mich reagierte.
    Obwohl ich mir solche Gedanken verbot, zog ich in Gedanken doch den Vergleich zu dem Mike meiner Erinnerung. Dieser schien auf so mannigfaltige Weise anders gewesen zu sein, das ich mich nunmehr wirklich fragte, warum ich hier diesem einen Hirngespinst nachjagte, das mir sagte, dass es eine nicht zu leugnende Verbindung gab. Denn Tatsache war, diese Hoffnung darauf verblasste immer mehr – es war einfach nicht mehr derselbe Mensch, auch wenn er so aussah. Er war komplett anders – und ich konnte mir nicht länger vormachen, für ihn dieselben Gefühle zu empfinden, die das Original in mir entfacht hatte.
    Entgegen aller Vernunft bedeutete er mir dennoch so viel, dass dies bei weitem über Freundschaft hinausging – und er wusste es nicht einmal. Er würde es vermutlich auch nie wissen – mit Düsternis in meinem Blick sah ich Mike an, wie er lächelte, so unglaublich schön, sich mit Sebastian unterhielt, versuchte, noch einigermaßen die Akkorde von einem ihrer Songs auf der Gitarre zu spielen und dabei fehl schlug.
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