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Champagnerwillich: Roman

Champagnerwillich: Roman

Titel: Champagnerwillich: Roman
Autoren: Michaela Möller
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es souverän bleiben und sich einfach mit einem coolen Spruch ins Gespräch bringen.
    »Äh, hi …?!?«
    »Tja, äh, hi?!?«, sagen zwei der drei Männer im Chor.
    »Emm. Wisst ihr eigentlich, wo die Toilette ist?«
    Wer war das? Wer hat das gesagt? ICH? Wisst ihr eigentlich, wo die Toilette ist? Wie komme ich nur immer auf solche geistig völlig abwesenden Äußerungen? Ich sollte dringend die Akkus von meinem Verstand wechseln! Fehlt nur noch, dass ich die nächste Männerrunde mit dem Victory-Zeichen begrüße.
    Bin also auf dem Weg zur Toilette und schiebe mich wieder durch den Flur. Na, wenigstens steige ich diesmal grazil über das Telefonkabel.
    Nach guten zehn Minuten habe ich die Tür zum Badezimmer erreicht und muss zu meinem Entsetzen feststellen, dass dort mindestens schon sechs weitere Gäste warten.
    Nicht nur, dass ich mich Ewigkeiten durch diesen Wohnungsflur quetsche, jetzt stehe ich auch noch Stunden vor dem Klo!
    Und das alles, obwohl ich noch nicht einmal muss!
    Mein Gott, wenn ich mich nicht besser kennen würde, würde ich ernsthafte Persönlichkeitsprobleme diagnostizieren. Vielleicht sollte ich die Therapiestunden bei Herrn Schnüttge doch auf zwei Sitzungen die Woche aufstocken?
    Ich reihe mich von der Ironie des Schicksals geschlagen in die Schlange ein und starre resigniert auf zwei große, breite Schultern.
    Moment mal. Große, breite Schultern?
    In diesem Augenblick dreht sich der Mann vor mir um und lächelt mich an, wie ich es nur aus Zahnpastawerbespots kenne.
    Herrje. Nein. Stopp. Nicht mit der Hand durchs Haar fahren. Mein Gott, wie lange ist es eigentlich her, dass ich Sex hatte?
    Tage. Monate. Jahre.
    Langsam fallen ihm seine seidigen Haare über die Stirn, während er mich fragend ansieht.
    »Hallo. Ich bin Nathan.«
    Wahrscheinlich trägt er edle Unterwäsche und benutzt teureren Hairconditioner als ich. Ich könnte mir vielleicht beides bei Gelegenheit mal ausleihen. Puh. Muss feststellen, dass ich im suszipierenden Zustand starken Hang zu ausgeprägten Tagträumen entwickle.
    »Ich heiße Jil.«
    »Schön, dich kennen zu lernen, Jil.« Nathan streckt mir seine Hand entgegen und umschließt meine mit leichtem Druck. Dieses Händeschütteln ist erotischer als der Sex mit meinem Ex.
    »Ja. Nathan, und du heißt also Nathan.«
    »Richtig.« Etwas verunsichert lächelt er mich an. Dieses Gespräch läuft ja wirklich toll. Meinem Sprachzentrum scheint das Wort SOUVERÄN nur in der Theorie bekannt zu sein. Na, wenigstens weiß ich, wie man es schreibt.
    »Bist du eine Freundin von Rebecca?« Oh. Jetzt bloß keinen falschen Verdacht aufkommen lassen. Nicht, dass es da ein Missverständnis gibt. Obwohl ich erst kürzlich gelesen habe, dass Bisexualität im Moment ja stark im Kommen ist.Das ist ja auch kein Wunder. Warum soll man sich auf etwas festlegen, mit dem man unwillkürlich die dunkelsten Kapitel seines Lebens in Verbindung bringt? Und trotzdem, ich schwimme ungern. Erst recht zum anderen Ufer.
    »Rebecca, nein! Wer ist Rebecca? Weißt du, ich bin dauernd in irgendwelchen Clubs oder auf Partys. Da verliert man schon mal den Überblick.«
    »Ah, du bist anscheinend eine dieser Partyladys. Ich wohne erst seit ein paar Wochen in München und weiß noch gar nicht, wo man am besten hingeht. Wo bist du denn am liebsten?«
    Also, ehrlich gesagt bin ich alles andere als eine Partylady. Und bei dem Blick in Nathans Augen fällt mir spontan kein einziger Club ein. Mein Gott, wie heißen diese Dinger noch? Nachtwerk Lounge? Atomic Club? Mandarin Café? So ein Mist. Wieso verlaufen diese Gespräche immer in die falsche Richtung?
    »Ach du, ich bin mal hier und mal da und eigentlich überall. Zum Beispiel liebe ich das P2.«
    »Du meinst das P1?«
    »Äh, ja genau. Und der Kunstpark Ost ist auch ganz große Klasse.«
    Seine Stirn legt sich in Puls hochpeitschend erotische Falten.
    Ich liebe meinen treffsicheren Spürsinn für Peinlichkeiten.
    »Hat der nicht vor Ewigkeiten zugemacht?«
    Treffer – versenkt!
    Im nächsten Moment geht die Toilettentür auf und rettet mich vor weiteren Verstrickungen. Erleichtert plumpse ich auf den Klodeckel, nachdem Nathan mir sichtlich verwirrt den Vortritt gelassen hat.
    Ich atme tief durch und bereue das im nächsten Moment. Partytoiletten sind einfach kein Ort zum Durchatmen. Ich zähle von zehn rückwärts, ziehe die Klospülung und drehe den Wasserhahn auf. Habe im Vortäuschen von Toilettengängen Übung, da ich mich öfter dorthin zurückziehe, wenn
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