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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
Autoren: Franck Thilliez
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Kapitel 1
    Der Erste sein.
    Als Ludovic Sénéchal am frühen Morgen die Annonce entdeckt hatte, war er sofort aufgebrochen und hatte die zweihundert Kilometer von Lille bis Lüttich in Rekordzeit zurückgelegt.
    Verkaufe alte Filmsammlung, 16mm, 35mm.
    Stumm- und Ton-, Kurz- und Langfilme ab den dreißiger Jahren .
    Über 800 Rollen, 500 davon Spionagefilme.
    Angebot vor Ort abzugeben…
    Eine solche Anzeige auf einer allgemeinen Verkaufsplattform war eine Seltenheit. Normalerweise boten die Besitzer Raritäten dieser Art auf Sammlermärkten wie zum Beispiel in Argenteuil oder via eBay an. In diesem Fall war sie abgefasst, als handele es sich um den Verkauf eines alten Kühlschranks, was eher ein gutes Zeichen war.
    Nur mit Mühe fand Ludovic einen Parkplatz im Zentrum der belgischen Stadt, suchte die richtige Hausnummer und wurde bei dem Inserenten Luc Szpilman vorstellig. Er war etwa fünfundzwanzig, trug Converse-Turnschuhe, eine Surfbrille und ein Bulls-T-Shirt. Dazu mehrere Piercings.
    » Ach ja, Sie sind wegen der Filme da? Kommen Sie mit, die sind auf dem Speicher.«
    » Bin ich der Erste?«
    » Die Nächsten werden sicher bald eintreffen, ich habe mehrere Anrufe erhalten. Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell geht.«
    Ludovic folgte ihm. Das Haus war im typisch flämischen Stil erbaut– warme Farben und dunkler Ziegelstein. Alle Räume waren um das zentrale Treppenhaus angeordnet, das von einem Lichtschacht erhellt wurde.
    » Warum wollen Sie diese alten Filme loswerden?«
    Ludovic hatte seine Worte sorgfältig gewählt. Loswerden … alt. Die Verhandlungen hatten bereits begonnen.
    » Mein Vater ist gestern gestorben. Er hat nicht hinterlassen, was mit seiner Sammlung geschehen soll.«
    Ludovic glaubte zu träumen: Der Patriarch lag noch nicht einmal unter der Erde, und die Erben begannen schon, seine Habe zu veräußern. Und dieser Idiot von Sohn verstand nicht, warum er Filmkopien behalten sollte, von denen jede fünfundzwanzig Kilo wog, obwohl man heutzutage tausendmal mehr Bilder mit tausendmal weniger Gewicht lagern konnte. Armselige Generation…
    Die Treppe nach oben war halsbrecherisch. Auf dem Speicher angekommen, schaltete Szpilman eine Glühbirne ein, die trübes Licht verbreitete. Ludovic lächelte, sein Sammlerherz schlug höher. Da waren sie, gut vor dem Tageslicht geschützt. Bunte Schachteln, je zwanzig Stück zu einem Turm aufgestapelt. Die Luft zirkulierte zwischen den Regalen, und es roch angenehm nach Zelluloid. Dank einer eingehängten Rollleiter konnte man die oberen Bretter erreichen. Ludovic trat näher. Auf der einen Seite die großen Dosen für die 35-mm-Kopien, auf der anderen die 16-mm-Rollen, die ihn besonders interessierten. Die runden Büchsen waren beschriftet und perfekt sortiert. Klassiker des Stummfilms, Langfilme aus dem goldenen Zeitalter des französischen Kinos. Vorwiegend waren es Spionagestreifen, die sich dort türmten und mehr als die Hälfte der Regalbretter einnahmen. Ludovic griff nach einem: The Chairman – Der gefährlichste Mann der Welt – von Jack Lee Thompson über die CIA und das kommunistische China. Eine unbeschädigte, komplette Kopie, vor Feuchtigkeit und Licht geschützt wie ein edler Jahrgangswein. In der Dose lagen sogar pH-Teststreifen, um den Säuregehalt zu kontrollieren. Ludovic hatte Mühe, seine Rührung zu verbergen. Allein dieser Schatz hatte einen Marktwert von mindestens fünfhundert Euro.
    » Ihr Vater war ein Spionage-Fan?«
    » Und wie… Sie müssten erst mal seine Bücher sehen. Verschwörungstheorien und so weiter. Das grenzt schon an Besessenheit.«
    » Wie viel verlangen Sie dafür?«
    » Ich habe mich im Internet kundig gemacht. Im Schnitt hundert Euro pro Streifen. Aber alles muss verschwinden, und zwar so schnell wie möglich. Ich brauche Platz. Wir können also verhandeln.«
    » Das hoffe ich.«
    Ludovic suchte weiter.
    » Ihr Vater hatte sicher auch einen privaten Vorführraum?«
    » Ja, aber den wollen wir umbauen. Wir schmeißen den alten Krempel raus und bringen stattdessen einen LCD -Bildschirm an. Heimkino, letzter Schrei… Hier oben richte ich ein Studio für meine Band ein.«
    Ludovic, der von diesem Mangel an Respekt angewidert war, wandte sich nach rechts, stöberte in den Schätzen und sog den Duft des Zelluloids ein. Er entdeckte Harold Lloyd, mehrere Buster-Keaton-Filme, Hamlet und Captain Fracasse. Am liebsten hätte er sie alle genommen, aber bei seinem bescheidenen Gehalt als Angestellter einer
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