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Champagnerwillich: Roman

Champagnerwillich: Roman

Titel: Champagnerwillich: Roman
Autoren: Michaela Möller
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paar Reizwörter, und Sie sagen spontan, was Ihnen dazu einfällt.«
    »Okay!«
    »Gut, fangen wir an. Das erste Wort ist Respektlosigkeit.«
    »Ehevertrag!«
    »Bäcker?«
    »Hochzeitstorte!«
    »Urlaub?«
    »Flitterwochen!«
    »Kirche?«
    »Gucci-Pumps!«
    Das Kratzen des Füllfederhalters bricht urplötzlich ab.
    »Oh, ich habe letzte Woche für taubenblaue Riemchenpumps aus zartem Veloursleder in meiner Größe gebetet. Wissen Sie, einen Schuh in Größe 36 zu ergattern ist wirklich eine absolute Seltenheit!«
    »Verstehe. Machen wir weiter. Einsamkeit?«
    »Zweisamkeit!«
    »Kaffee?«
    »Der perfekte Mann als solches! Stark, heiß, süß und braun gebrannt«, antworte ich und drehe mich mit einem Lächeln zu meinem Psychiater um.
    Sorgfältig legt er das Klemmbrett auf seinen Knien ab und faltet die Hände darüber zusammen.
    »Frau Schöneberg, fällt Ihnen nicht etwas auf bei all den Antworten, die Sie mir geben?«
    »Tja. Nein, Ihnen?«
    »Könnte es sein, dass Sie ein klein wenig von der Idee ergriffen sind, so schnell wie möglich den Mann fürs Leben zu finden?«
    Jetzt bin ich aber wirklich erstaunt. Protestierend drehe ich mich zu Herrn Schnüttge um.
    »Nein. Da liegen Sie wirklich falsch. Ich habe so wenig mit einer Männer suchenden Frau zu tun wie die Miss Universum mit dem Weltfrieden.«
    »Ich verstehe. Wie auch immer. Wir werden auf das Problem in den nächsten Sitzungen genauer eingehen. Machen Sie sich keine Sorgen.« Herr Schnüttge blickt auf die Uhr an seinem Handgelenk und geht noch einmal seine Notizen durch. »Nur Ihre aufbäumende Ablehnung gegen chinesische Dinge ist mir äußerst unerklärlich. Aber auch das werde ich hoffentlich in einigen Wochen zu deuten wissen.«
    Schön. Ich weiß es jetzt schon.
    Aber dieser Diagnose bedarf es sicher keines Psychologiestudiums mit Abschluss in Yale, wie ich beim Verlassen der Praxis mit einem prüfenden Blick auf die Wand über dem Kaffeespender feststellen konnte.
    Ich trage nichts aus China, ich benutze keine Hi-Fi-Produkte aus China, ich sehe keine chinesischen TV-Sendungen, und ich esse nie, nie, niemals chinesisches Essen!
    Im Gegenteil, ich hasse dieses Zeug! Aber das ist auch kein Wunder. Ich kenne zwar nur einen Chinesen, aber der reicht völlig aus, um mir meinen sonst so durchsetzungsfähigen Appetit zu verderben. Bei dem Gedanken an Tanguy fällt mir sogar das Stück Schokolade, das ich mir auf dem Nachhauseweg willensschwach in den Mund schieben will, aus der Hand.
    Hmmm. Sollte vielleicht über eine Diät in dieser Richtung nachdenken!
    Tanguy, das ist ein 29 Jahre alter, erfolgreicher, gut aussehender, dynamischer Geschäftsmann, der einen PorscheBoxter fährt und Urlaub mit seiner Frau auf den Malediven macht. Das hört sich alles ganz gut an, bis auf die Tatsache, dass ich nicht seine FRAU, sondern seine SCHWESTER bin.
    Meine Eltern haben den kleinen süßen Chinesen adoptiert, als er zwei Jahre alt war, und seitdem habe ich einen gleichaltrigen Bruder und meinen größten Konkurrenten auf einen Schlag.
    Ich sage es ja immer, Eltern können so grausam sein!
    Die Realität zeigte mir schon in jungen Jahren ihre glazialen Seiten, als Tanguy hauptsächlich damit beschäftigt war, mich unbemerkt mit Unmengen an Speisesalz zu füttern, mir seine kaputten Spielsachen unter die Finger zu schieben und meinen Puppen die Haare abzuschneiden. Diese Taten blieben natürlich weitestgehend unbemerkt. Und flogen sie doch einmal auf, so belächelte man den liebenswerten Lausbub Tanguy, während ich vor den Verwandten meistens mit einem entschuldigenden Blick als unwirsches Schreikind bezeichnet wurde.
    Tanguy konnte schon mit vier Jahren seine Schuhe zuknoten, die Fische füttern und die Einkaufszettel meiner Mutter lesen. Ich trug Schuhe mit Klettverschluss, glotzte die Fische an und kannte lediglich den Anfangsbuchstaben meines Namens. Zumindest manchmal.
    Mein Bruder übersprang die erste Klasse, ich kam in den Vorschulkindergarten.
    Er machte Werbung für eine Kinderzahnbürste, ich bekam eine Zahnspange.
    Heute bin ich Angestellte in einer PR-Agentur, und Tanguy hat Angestellte. In seiner PR-Agentur.
    Ich habe es irgendwann aufgegeben, nur ein einziges Mal in dem gleichen magischen Glanz wie mein eloquenter Bruder zu erstrahlen. Darum arbeite ich jetzt verstärkt an meiner Fakebildung. Das ist wie mit einer Tasche von LouisVuitton, die gar nicht von Louis Vuitton ist, aber dafür nur die Hälfte kostet und das Original in mancherlei
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