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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch
Autoren: Lois McMaster Bujold
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breitete er Kupfermünzen aus und handelte die Leihgebühr für eine Bundzughose aus Leinen und einen Kittel aus, zusammen mit einem Paar Strohsandalen, in denen er an diesem inzwischen milden Nachmittag über die Straße zum Badehaus schlendern konnte. Die Wä scherin trug seine abscheulichen Klamotten und die schmutzigen Stiefel in ihren geröteten Händen davon.
    Der Barbier des Badehauses schnitt ihm sein Haar und den Bart nach, während Cazaril entspannt auf einem richtigen Stuhl saß – wundervoll! Der Badejunge brachte ihm Tee. Dann ging es zurück in den Innenhof des Badehauses, wo Cazaril auf den Fliesen stand, sich am ganzen Leib mit parfümierter Seife abrieb und anschließend auf den Jungen wartete, damit dieser ihn mit einem Holzeimer warmen Wassers abspülte. Voller Vorfreude beäugte Cazaril das Holzbecken mit dem Kupferboden, das groß genug war für sechs Männer – oder sechs Frauen, im täglichen Wechsel –, das er aber zu dieser günstigen Zeit offenbar ganz für sich allein hatte. Eine Kohlenpfanne unter dem Becken hielt das Wasser dampfend warm. Hier konnte er sich den ganzen Nachmittag einweichen, während die Wäscherin seine Kleidung auskochte.
    Der Badejunge kletterte auf einen Stuhl und goss das Wasser über Cazarils Kopf aus, während dieser sich wohlig unter dem Schwall wand und laut prustete. Als er die Augen aufschlug, bemerkte er, dass der Junge ihn weit aufgerissenen Mundes anstarrte.
    »Seid Ihr … seid Ihr ein Deserteur?«, stieß der Junge hervor.
    Oh! Auf Cazarils Rücken verliefen zahllose knorrige, rote Narben so dicht beieinander, dass dazwischen kein Fleckchen Haut unversehrt geblieben war. Dies war das Zeugnis seiner letzten Auspeitschung auf den Galeeren der Roknari. Hier im Königreich Chalion wurden nur wenige Verbrecher auf diese grausame Weise bestraft; Deserteure zählten allerdings dazu.
    »Nein«, entgegnete Cazaril entschieden. »Ich bin kein Deserteur.« Ausgesondert, ja. Vielleicht verraten. Aber er hatte niemals seine Posten verlassen, nicht einmal die verlorensten.
    Der Junge klappte den Mund zu. Mit einem dumpfen Geräusch ließ er den Holzeimer fallen und flitzte hinaus. Cazaril seufzte und ging zum großen Becken.
    Eben hatte er seinen schmerzenden Leib bis zum Kinn in der wohligen Wärme versenkt, stapfte auch schon der Besitzer des Badehauses in den fein gekachelten Innenhof.
    »Raus!«, brüllte er. »Verschwinde hier, du …!«
    Erschrocken wich Cazaril zurück, als der Badehaus-Besitzer ihn bei den Haaren packte und mit Gewalt aus dem Wasser zerrte. » Was?« Der Mann schob ihm Kittel, Hose und Sandalen zu, in einem ungeordneten Haufen, und zerrte ihn wütend am Arm aus dem Innenhof und in den Vorraum.
    »He, wartet, was tut Ihr da? Ich kann doch nicht nackt auf die Straße!«
    Der Besitzer des Badehauses wirbelte ihn herum und ließ ihn kurz los. »Dann zieh dich an und verschwinde. Ich führe ein anständiges Haus! Kerle wie du haben hier nichts zu suchen! Geh runter zum Hurenhaus. Oder besser noch, ertränk dich gleich im Fluss!«
    Benommen und triefnass zerrte Cazaril sich den Kittel über den Kopf, zog die Hose hoch und versuchte, die Füße wieder in die Sandalen zu schieben, während er gleichzeitig die Kordel seiner Hose festhalten musste, als er erneut auf die Tür zugeschoben wurde. Sie wurde ihm vor der Nase zugeschlagen, als er sich umdrehte und ihm allmählich dämmerte, was passiert war. Das andere Verbrechen, das im Königreich Chalion mit Auspeitschung bis fast zum Tode bestraft wurde, war die Vergewaltigung einer Jungfrau oder eines Jungen. Heiße Röte schoss ihm ins Gesicht. »Aber ich war gar nicht … Ich habe nicht … Ich wurde an die Freibeuter von Roknar verkauft …«
    Zitternd stand er da. Er dachte daran, an die Tür zu hämmern und darauf zu bestehen, dass die dort drinnen sich seine Erklärungen anhörten. Oh, meine arme Ehre! Der Besitzer des Badehauses war sicher der Vater des Jungen …
    Er lachte, weinte, taumelte auf dem schmalen Grat zwischen der Furcht vor dem Badehaus-Besitzer und etwas anderem, das ihm noch mehr Angst einflößte als dieser Mann. Er hatte nicht mehr das Durchhaltevermögen für eine Auseinandersetzung, und selbst wenn er die Leute dazu brachte, ihm zuzuhören – weshalb sollten sie ihm glauben? Mit dem weichen Leinen seines Ärmels rieb er sich die Augen. Es hatte jenen herben, angenehmen Duft, wie ihn nur die Behandlung mit einem heißen Bügeleisen hinterließ. Dies brachte die Erinnerungen
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