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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Brennmaterial, das auf dem Rücken des Esels festgezurrt war. Dann ruckte er kurz am Halteseil und setzte seinen Weg fort. Cazaril schloss sich ihm an.
    »Wisst Ihr, was der Bursche getan hat?«, fragte er.
    »Gut genug«, schnaubte der Bauer. »Und er hat bekommen, was er verdient.«
    »Wisst Ihr auch, wem sein Treiben galt?«
    »Keine Ahnung. Das überlasse ich dem Tempel. Ich wünschte nur, er hätte es nicht auf meinem Grund und Boden getan. Das bringt uns allen hier Unglück … Womöglich wird der Kerl hier spuken! Na, ich werde ihn mit Feuer reinigen und diese verfluchte Ruine gleich mit niederbrennen, jawohl!« Er warf Cazaril einen Blick zu. »Bringt nichts Gutes, die alte Mühle da stehen zu lassen. Ist zu dicht bei der Straße. Sie zieht das Unheil an!«
    Cazaril schritt eine Weile neben dem Bauern her. Schließlich fragte er: »Ihr wollt ihn mitsamt der Kleidung verbrennen?«
    Der Bauer musterte ihn von der Seite und schätzte die Armseligkeit seiner Garderobe ab. »Ich rühre nichts von ihm an. Ich hätte nicht mal sein Pferd genommen, aber es wäre keine Barmherzigkeit gewesen, das arme Vieh frei herumlaufen und verhungern zu lassen.«
    Noch zögerlicher erkundigte Cazaril sich schließlich: »Würde es Euch dann etwas ausmachen, wenn ich die Kleidung an mich nehme?«
    »Ich bin nicht derjenige, den du fragen musst. Setz dich mit ihm auseinander, wenn du dich traust. Ich werd dich nicht dran hindern!«
    »Ich … helfe Euch dabei, ihn aufzubahren.«
    Der Bauer zwinkerte. »Das kannst du gern tun!«
    Cazaril ging davon aus, dass der Bauer insgeheim mehr als erfreut darüber war, ihm den Umgang mit dem Leichnam zu überlassen. Zunächst aber wurde der Scheiterhaufen innerhalb der Mühle errichtet. Beim Aufstapeln der schwereren Scheite konnte Cazaril seinem Begleiter wenig helfen. Er steuerte nur ein paar wohl gemeinte Ratschläge bei, wohin das Holz gelegt werden musste, um die beste Luftzufuhr zu erreichen und mit der größten Gewissheit auch die Überreste des Gebäudes niederzubrennen.
    Aus sicherer Entfernung schaute der Bauer dann zu, wie Cazaril den Leichnam entkleidete und eine Stoffschicht nach der anderen über die steifen Gliedmaßen zerrte. Der Tote war noch weiter aufgequollen, als es zunächst den Anschein hatte. Sein Unterleib blähte sich auf eine Ekel erregende Weise auf, als Cazaril ihm zuletzt das fein bestickte Unterhemd auszog. Es war beängstigend. Aber es konnte keine ansteckende Krankheit sein – nicht angesichts dieser unheimlichen Abwesenheit übler Gerüche. Cazaril fragte sich, ob der Körper platzen oder aufreißen würde, wenn man ihn nicht bis Einbruch der Dunkelheit verbrannte, und wenn das geschah, was aus dem Leib herauskommen würde … oder in den Leib eindrang … So rasch er konnte schnürte er die nur leicht befleckte Kleidung zu einem Bündel zusammen. Die Schuhe waren ihm zu klein, also ließ er sie zurück. Gemeinsam mit dem Bauern hob er dann den Leichnam auf den Scheiterhaufen.
    Anschließend fiel Cazaril auf die Knie, schloss die Augen und skandierte die Totenandacht. Obwohl er es ziemlich gut erraten konnte, wusste er nicht, welche Gottheit sich der Seele des Mannes angenommen hatte. Also sprach er nacheinander alle fünf Mitglieder der heiligen Familie an, mit fester und deutlicher Stimme. Jede Opfergabe musste mit ganzem Herzen dargebracht werden, auch wenn man nicht mehr als Worte zu geben hatte.
    »Erbarmen vom Vater und der Mutter, Erbarmen von der Schwester und dem Bruder. Erbarmen vom Bastard. Fünffaches Erbarmen, o ihr Erhabenen, erflehen wir von euch.«
    Welche Sünden dieser Fremde auch begangen hatte, er hatte gewiss dafür bezahlt. Erbarmen, ihr Erhabenen. Keine Gerechtigkeit, bitte keine Gerechtigkeit. Wir alle wären Narren, würden wir um Gerechtigkeit bitten.
    Als er fertig war, erhob er sich steif und schaute sich um. Nachdenklich sammelte er die Ratte und die Krähe ein und legte ihre kleinen Leiber zu dem des Mannes – zu dessen Kopf und den Füßen.
    Wie es aussah, hielten die Götter heute schützend ihre Hände über Cazaril. Er fragte sich, was sie diesmal mit ihm vorhatten.
     
    Eine ölige Rauchsäule stieg von der brennenden Mühle auf, als Cazaril den Weg nach Valenda fortsetzte. Die Kleidung des Toten trug er in einem fest verschnürten Bündel auf dem Rücken. Obwohl sie weniger verdreckt war als die Sachen, die er am Leibe trug, wollte er erst eine Wäscherin suchen und die neue Garderobe sorgfältig reinigen lassen, bevor er
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