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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Tochter am Vorabend des Feiertags ihrer Herrin lieber nicht spielen: Die Angehörigen der geheiligten Ritterorden waren nicht gerade für ihren Humor bekannt. Außerdem konnte es sein, dass er ihnen erneut begegnete; schließlich war er zur gleichen Stadt unterwegs wie sie.
    Cazaril räusperte sich, denn seit gestern hatte er mit niemand mehr gesprochen. »Nein, Hauptmann. Die Straße nach Valenda ist mit einem königlichen Markstein gekennzeichnet.« So war es jedenfalls früher gewesen. »Ungefähr zwei Meilen den Weg hinunter. Ihr könnt die Kreuzung nicht verfehlen.«
    Er schob eine Hand aus den wärmenden Mantelfalten und wies die Richtung. Die Finger waren immer noch verkrümmt, und so winkte er mit einer Klaue. Die kalte Luft biss in die geschwollenen Gelenke, und hastig schob er die Hand wieder in die schützende Umhüllung.
    Der Hauptmann nickte dem Bannerträger zu, einem breitschultrigen Burschen, der den Schaft der Fahne in der Ellenbeuge hielt und nach seiner Börse fingerte. Der Bannerträger suchte zweifellos nach einem Geldstück von angemessen geringem Wert. Gerade hielt er eine Anzahl Münzen zwischen den Fingern, als sein Pferd scheute. Eine Münze glitt dem Bannerträger aus der Hand und fiel in den Schlamm – ein goldener Royal, kein Kupfer-Vaida! Entsetzt starrte der Mann der Münze hinterdrein, gewann dann aber die Kontrolle über seine Gesichtszüge zurück. Vor den Augen seiner Kameraden würde er niemals vom Pferd steigen und im Dreck wühlen, um das Goldstück zurückzuholen! Nicht wie der Bauer, für den er Cazaril hielt! Zum eigenen Trost lächelte der Bannerträger säuerlich und wartete, dass Cazaril hastig auf die unerwartete Gabe lossprang, wie ein Hund hinter einem Stock herjagt.
    Stattdessen aber verbeugte sich Cazaril und sagte betont: »Möge die Frühlingsherrin Euch segnen, junger Herr, so gern und freimütig, wie Ihr einem Herumtreiber Eure Gabe habt zuteil werden lassen!«
    Hätte der junge Ordensritter ein wenig mehr Verstand besessen, hätte er den Spott womöglich durchschaut und Cazaril, dem vermeintlichen Bauerntrampel, einen wohlverdienten Peitschenhieb übers Gesicht gezogen. Aber der dümmlichen Miene des Ordenskriegers nach zu urteilen war diese Gefahr gering. Nur der Hauptmann verzog verärgert die Lippen, schüttelte dann aber den Kopf und winkte seine Schar voran.
    Während der Bannerträger zu stolz war, im Schlamm zu wühlen, war Cazaril viel zu müde. Erst einmal ließ er den Tross vorüberziehen, der aus Dienern und Maultieren bestand, die den Schluss des Zuges bildete. Erst dann beugte er sich schmerzerfüllt hinab und fischte nach dem schwachen Funkeln im kalten Wasser, das sich in einem Hufabdruck sammelte. Die Narben auf seinem Rücken schmerzten grausam. O ihr Götter, ich bewege mich wie ein alter Mann! Cazaril hielt den Atem an und richtete sich wieder auf. Er fühlte sich wie ein hundertjähriger Greis … oder wie Straßenschmutz, der am Absatz des scheidenden Wintervaters klebte und von diesem ins Jenseits getragen wird.
    Er wischte den Schlamm von der Münze – sie war zwar aus Gold, aber von bescheidener Größe. Cazaril holte die eigene Geldbörse hervor, einen leeren Beutel, ließ die dünne Metallscheibe in den Ledermund gleiten und blickte dem matten Funkeln hinterher. Dann seufzte er und verstaute die Börse. Jetzt war er wieder ein verheißungsvolles Opfer für Räuber. Jetzt hatte er wieder einen Grund, sich zu fürchten. Während er hinter den Ordensrittern her über die Straße stapfte, dachte er über diese neue Bürde nach, die schwerer war, als ihr bloßes Gewicht vermuten ließ. Die Münze war die Sorge fast nicht wert. Fast. Gold. Die Versuchung der Schwachen, die Schwäche der Weisen … Und was bedeutete es diesem glotzäugigen Stier von einem Soldaten, der von seiner ungewollten Großzügigkeit so peinlich berührt gewesen war?
    Cazaril blickte über die karge, unfruchtbare Landschaft hinweg. An Bäumen und Dickicht bot sie nicht viel. Nur der ferne Wasserlauf am Horizont wurde von kahlem Gehölz und Dornengestrüpp gesäumt – ein Bewuchs, der im diesigen Tageslicht kohlengrau wirkte. Eine verlassene Windmühle auf einer Anhöhe zur Linken war die einzige Deckung in Sichtweite. Ihr Dach war eingestürzt, und ihre Flügel verrotteten abgebrochen zu ihren Füßen. Trotzdem, für alle Fälle …
    Cazaril verließ die Straße und stapfte den Hügel hinauf. Ein Hügelchen, verglichen mit den Gebirgspässen, die er vor einer Woche
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