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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Gemmen. Und doch standen ihm diese wallenden Gewänder. Er war begeistert und hielt sich ein wenig aufrechter.
    Zumindest war nichts mehr von dem Landstreicher übrig. Hier stand kein Mann mehr, der beim Küchenmeister der Burg um die Anstellung als Tellerwäscher bettelte.
    Ursprünglich hatte Cazaril vorgehabt, sich vom Rest seiner Kupfermünzen in einem Gasthaus ein Bett für die Nacht zu beschaffen und sich am Morgen bei der Herzogin anzumelden. Besorgt grübelte er darüber nach, ob der Tratsch des Badehaus-Besitzers sich inzwischen weit in der Stadt verbreitet hatte. Und ob man ihm in jedem sicheren und angesehenen Haus den Zutritt verweigern würde …
    Nein, noch an diesem Abend. Geh jetzt! Er würde hinaufsteigen zur Burg und herausfinden, ob er dort eine Zuflucht beanspruchen konnte oder nicht. Ich kann keine weitere Nacht voller Ungewissheit ertragen. Bevor das Licht schwindet. Bevor mein Mut schwindet.
    Er schob das Notizbuch wieder in die Innentasche des schwarzen, ärmellosen Mantels, wo es offenbar zuvor schon verborgen gewesen war. Dann wandte er sich um und verließ das Gemach. Die Landstreicherkleidung ließ er auf dem Bett zurück.
     

 
2
     
     
    W
    ährend er das letzte Stück der Steigung zum Burgtor überwand, bedauerte Cazaril, dass er keine Möglichkeit hatte, sich ein Schwert zu beschaf fen. Die beiden Posten in der grün-schwarzen Livree des Herzogs von Baocia beobachteten seine waffenlose Annäherung ohne Besorgnis, aber auch ohne Spur jenes aufmerksamen Interesses, das Respekt verhieß. Cazaril grüßte den Wachsoldaten, der an seinem Hut das Abzeichen eines Sergeanten trug, mit einem ernsten, wohl berechneten Nicken. Die Unterwürfigkeit, die er einstudiert hatte, war für irgendein Hintertürchen bestimmt, nicht aber für diesen Eingang – nicht, wenn er irgendwie weiterkommen wollte! Zumindest hatte die Hilfsbereitschaft der Wäscherin ihm die richtigen Namen verschafft.
    »Guten Abend, Sergeant. Ich möchte den Majordomus sprechen, Ser dy Ferrej. Mein Name ist Lupe dy Cazaril.« Mochte der Unteroffizier raten, ob Cazaril eingeladen war, und hoffentlich zum falschen Ergebnis gelangen!
    »In welcher Angelegenheit, Herr?«, fragte der Sergeant höflich, aber unbeeindruckt.
    Cazaril drückte die Schultern durch. Er hatte keine Ahnung, aus welch dunklem Winkel seiner Seele diese Stimme kam, aber sie sagte knapp und im Befehlston: »In seiner Angelegenheit, Sergeant!«
    Ganz von selbst salutierte der Unteroffizier. »Jawohl, Herr!« Mit einem Nicken ermahnte er seinen Kameraden zur Wachsamkeit. Dann bedeutete er Cazaril, ihm durchs geöffnete Tor zu folgen. »Dort entlang, Herr. Ich werde mich beim Majordomus erkundigen, ob er Euch empfangen wird.«
    Cazaril war zutiefst berührt, als er sich auf dem weiten gepflasterten Hof jenseits der Burgtore umblickte. Wie viele Stiefel hatte er abgewetzt, als er über dieses Pflaster eilte und Besorgungen für die hohen Herrschaften machte? Der Vorsteher der Pagen hatte stets geklagt, das Schuhwerk triebe ihn noch einmal in den Ruin. Schließlich hatte die Herzogin belustigt gefragt, ob er einen faulen Pagen bevorzuge, der sich stattdessen den Hosenboden abwetzte: Wenn er sich lieber mit solchen Burschen abplagen wolle, könne sie bestimmt ein paar von der Sorte für ihn auftreiben!
    Wie es aussah, führte sie ihren Haushalt noch immer mit aufmerksamem Blick und sicherer Hand. Die Uniformen ihrer Wachen waren in hervorragendem Zustand, die Pflastersteine im Hof blitzsauber und blank. Links und rechts der wichtigsten Zugänge standen kahle Bäumchen in Kübeln. Zwischen ihren Wurzeln wuchsen schmuckvolle Blumen, die aus Zwiebeln gezogen waren und hell und schön blühten, gerade rechtzeitig zur morgigen Feier zum Tag der Tochter.
    Der Sergeant ließ Cazaril auf einer Bank Platz nehmen, an einer Wand, die glücklicherweise noch warm war von der Sonne des Tages. Unterdessen ging der Soldat zu der Seitentür, die in den Kanzleitrakt führte, und sprach mit einem Hausdiener, der vielleicht, vielleicht aber auch nicht, den Majordomus für diesen Fremden herbeiholte. Er war noch nicht wieder halb auf seinen Posten zurück, als sein Kamerad den Kopf durchs Tor schob und rief: »Der Prinz kehrt zurück!«
    Der Sergeant drehte sich zu den Dienstbotenquartieren um und nahm den Ruf auf: »Der Prinz kehrt zurück! Achtung da hinten!« Dann beschleunigte er seine Schritte.
    Stallburschen und Dienstboten stürzten aus den Türen rund um den Innenhof, während
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