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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Ferrej. Die Schuld liegt bei mir. Betriz bleibt keine Wahl – wohin ich sie führe, muss sie mir folgen!«
    Der Mann hob die Brauen und verbeugte sich beiläufig. »Dann könnt Ihr darüber nachdenken, Hoheit, was es einem Hauptmann an Ehre bringt, wenn er seine Gefolgsleute zu einem Verstoß ermuntert, für den er selbst nicht bestraft wird.«
    Auf diese Worte hin kniff das blondhaarige Mädchen die Lippen zusammen. Nach einem langen Blick unter den schweren Wimpern machte sie die Andeutung eines Knickses vor dem Mann; dann entzogen die Mädchen sich weiteren Zurechtweisungen, indem sie ins Gebäude flüchteten. Die Kammerfrau, die sich hinter ihnen her quälte, schenkte dy Ferrej ein dankbares Nicken.
    Auch ohne diesen Hinweis hätte Cazaril in dem Mann den Majordomus erkannt, und zwar an dem klimpernden Schlüsselbund, der am silberbeschlagenen Gürtel hing, und an der Amtskette, die er um den Hals trug. Als dy Ferrej auf ihn zukam, erhob sich Cazaril sofort und versuchte sich an einer Verbeugung, die wegen der Narben auf seinem Rücken jedoch arg missglückte. »Ser dy Ferrej? Ich bin Lupe dy Cazaril. Ich erbitte eine Audienz bei der Herzoginwitwe, wenn … wenn es ihr beliebt …« Unter dem misstrauischen Blick des Majordomus versagte ihm die Stimme.
    »Ich kenne Euch nicht, werter Herr«, stellte der Mann fest.
    »Bei den gütigen Göttern, die Herzogin erinnert sich möglicherweise an mich. Einst war ich Page hier.« Unbestimmt wies er in die Runde. »Als der alte Herzog noch lebte.« Dieser Ort kam für Cazaril einem Zuhause noch am nächsten. Er war es schrecklich leid, überall ein Fremder zu sein.
    Der Majordomus legte die Stirn in Falten. »Ich werde mich erkundigen, ob die Herzogin Euch empfangen möchte.«
    »Mehr erbitte ich nicht.« Cazaril sank auf die Bank zurück und verschränkte die Finger ineinander, während Ser dy Ferrej ins Hauptgebäude stapfte.
    Nach einigen unerträglichen Minuten der Anspannung, während Cazaril von vorübereilenden Dienern verstohlen gemustert wurde, kehrte der Majordomus zurück. Cazaril blickte auf. Dy Ferrej beäugte ihn mit verwirrtem Blick.
    »Ihre Hoheit, die Herzogin, gewährt Euch eine Unterredung. Bitte folgt mir.«
    Cazarils Körper war steif geworden vom Sitzen in der zunehmenden Abendkühle. Er strauchelte ein wenig und verfluchte seinen unsicheren Gang, als er dem Majordomus nach drinnen folgte. Er bedurfte keines Führers, denn der Grundriss des Gebäudes kam ihm wieder ins Gedächtnis und wurde deutlicher mit jeder Biegung, an der sie vorüberkamen. Durch diese Halle, über die blau und gelb gemusterten Fliesen, diese Treppe hinauf und die nächste, durch einen weiß getünchten Innenraum und schließlich zu dem Gemach an der Westmauer, wo die Hausherrin sich zu dieser Stunde des Tages stets am liebsten aufgehalten hatte – mit dem besten Licht für ihre Näharbeiten oder zum Lesen. Cazaril musste den Kopf einziehen, als er durch die niedrige Tür trat. Das war früher nie nötig gewesen, doch es schien die einzige Veränderung zu sein. Aber es war nicht die Tür, die sich verändert hatte.
    »Hier ist der Mann, wie Ihr es gewünscht habt, Hoheit.« Der Majordomus kündigte Cazaril ganz unverbindlich an und vermied es, dessen vorgebliche Identität zu bestätigen oder anzuzweifeln.
    Die Herzoginwitwe saß auf einem breiten Holzstuhl, der ihrer alternden Knochen wegen mit Kissen gepolstert war. Sie trug ein schmuckloses Kleid in dunklem Grün, wie es für eine hoch gestellte Witwe ziemlich war. Allerdings verzichtete sie auf eine Witwenhaube und hatte stattdessen ihr ergrautes Haar in zwei Knoten am Kopf hochgebunden, umrankt von grünen Bändern, die von juwelenbesetzten Klammern gehalten wurden. Ihr zur Seite saß eine Gesellschaftsdame, fast im selben Alter und ebenfalls Witwe, ihrem Gewand nach zu urteilen; sie trug die Kleidung einer Laienschwester des Tempels. Die Gesellschafterin drückte ihre Handarbeit an den Busen und bedachte Cazaril mit einem misstrauischen Blick.
    Cazaril ließ sich vor der Herzogin auf die Knie sinken und betete, sein Körper möge ihn nicht durch ein Stolpern oder Zucken verraten. Er senkte das Haupt zu einem respektvollen Gruß. Die Kleidung der Herzogin verströmte Lavendelduft und den trockenen Geruch alter Menschen. Cazaril blickte auf und suchte im Gesicht der edlen Dame nach einem Zeichen des Wiedererkennens. Denn wenn sie ihn nicht erkannte, wurde er zu einem Niemand – und das rasch.
    Sie schaute ihn an und biss
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