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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch
Autoren: Lois McMaster Bujold
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hatte – eine unfertige Larve wie ein jeder Junge von ähnlichem Stand – war Ista, die jüngste Tochter der Herzogin, für ihn bereits eine erwachsene Frau gewesen, obgleich sie nur wenige Jahre älter war als er. Zum Glück war er damals nicht so närrisch gewesen, irgendjemand seine aussichtslose Verliebtheit in Ista anzuvertrauen. Die Hochzeit Istas mit König Ias persönlich, die kurz darauf gefeiert wurde – Istas erste Ehe, Ias’ zweite –, schien ihre Schönheit der angemessenen Bestimmung zuzuführen, trotz des großen Altersunterschieds des Paares. Cazaril nahm an, dass man Istas baldige Witwenschaft hätte voraussehen können, wenn auch nicht so bald, wie sie letztlich eingetreten war.
    Die Herzogin wischte ihre Erschöpfung mit einer unwilligen Handbewegung beiseite und fuhr fort: »Und was ist mit Euch? Als ich zuletzt von Euch hörte, habt Ihr dem Herzog von Guarida gedient.«
    »Das war vor einigen Jahren, Hoheit.«
    »Wie seid Ihr hierher gekommen?« Sie musterte ihn und runzelte die Stirn. »Wo ist Euer Schwert?«
    »Ach, das.« Seine Hand griff nachlässig an die Seite, wo weder ein Gürtel noch eine Waffe zu sehen waren. »Ich habe es verloren … als Graf dy Jironal die Truppen König Oricos für den Winterfeldzug an die Nordküste führte … vor ungefähr drei Jahren. Er ernannte mich zum Festungskommandanten von Gotorget. Dann musste dy Jironal diesen unglücklichen Rückschlag hinnehmen … Wir haben die Festung neun Monate lang gegen die Streitkräfte der Roknari gehalten. Mit den üblichen Problemen, Ihr wisst schon. Ich kann schwören, dass keine Ratte in Gotorget ungebraten blieb, bis wir schließlich die Nachricht erhielten, dass dy Jironal erneut einen Handel geschlossen hatte. Uns wurde befohlen, die Waffen niederzulegen, abzurücken und die Festung unseren Feinden zu überlassen.« Er zeigte ein flüchtiges, oberflächliches Lächeln, und seine Linke krümmte sich in seinem Schoß. »Zu meinem Trost wurde ich davon in Kenntnis gesetzt, dass unsere Festung den Fürsten der Roknari am Verhandlungstisch zusätzlich dreihunderttausend Royals gekostet hat. Und auf dem Schlachtfeld war noch einiges mehr in diesen neun Monaten, nehme ich an.« Ein armseliger Trost für die Leben, die es uns gekostet hatte. »Der Feldherr der Roknari beanspruchte das Schwert meines Vaters. Er sagte, er wollte es zur Erinnerung an mich in seinem Zelt aufhängen. Das war das letzte Mal, dass ich meine Klinge gesehen habe. Danach …« Cazarils Stimme, die durch die Erinnerungen immer kräftiger geworden war, stockte. Er räusperte sich und setzte neu an. »Danach gab es einen Irrtum, eine Verwechslung. Als die Liste der ausgelösten Männer kam, zusammen mit den Geldtruhen, fehlte mein Name darauf. Der Quartiermeister schwor, dass alles seine Richtigkeit habe, weil die Summe des Lösegelds genau für die aufgeführten Personen ausreichte, doch es war ein Irrtum. Alle meine Offiziere waren gerettet, mich aber steckte man zu den nicht ausgelösten Männern. Dann marschierten wir alle nach Visping und wurden als Galeerensklaven an die Piratenkapitäne der Roknari verschachert.«
    Die Herzogin sog scharf die Luft ein.
    »Aber Ihr habt doch gewiss protestiert?«, entfuhr es dem Majordomus, der sich während des Vortrags auf seinem Stuhl immer weiter nach vorn gebeugt hatte.
    »Bei den Göttern, ja! Ich habe den ganzen langen Weg bis nach Visping protestiert. Ich habe sogar noch protestiert, als man mich den Landungssteg hinaufzerrte und ans Ruder kettete. Ich habe protestiert, bis wir in See stachen. Dann habe ich gelernt, das Protestieren bleiben zu lassen.« Wieder lächelte er. Es fühlte sich an wie die Maske eines Narren. Zum Glück hinterfragte niemand diesen fadenscheinigen Irrtum.
    »Ich war auf dem einen oder anderen Schiff … eine sehr lange Zeit.« Neunzehn Monate, acht Tage. Er hatte es später ausgerechnet. Zu jener Zeit hatte er den einen Tag nicht vom nächsten unterscheiden können. »Und dann gab es diesen unglaublichen Glücksfall. Das Piratenschiff, auf dem ich fuhr, geriet mit einer Flotte des Königs von Ibra aneinander, die auf Manöver war. Ich kann Euch sagen, die Freiwilligen aus Ibra ruderten besser als wir, und bald hatten sie uns eingeholt.«
    Zwei Mann wurden noch in Ketten von den zunehmend verzweifelten Roknari geköpft, weil sie absichtlich – oder aus Versehen – mit ihren Rudern aus dem Takt geraten waren. Einer von ihnen saß in Cazarils Nähe und war für Monate sein
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