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Catwalk in den Tod

Catwalk in den Tod

Titel: Catwalk in den Tod
Autoren: Michael Koglin
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vorgenommen.
    Die jungen schönen Menschen klatschen mit. Ist eine stattliche Frau geblieben, diese Peggy March. Nicht mehr so ganz bei Stimme, aber wen interessiert das hier? Wir sind fröhlich. Und dann seh ich den Himmel doch noch. Und dazu muss ich nicht mal vor die Tür.
    Ich rutsch auf meinen Hocker und betrachte die Kugel aus Alufolie, da gehen mit einem Schlag überall in meinem Kopf die Lichter an. Auch da, wo gar keine sind. Mein Körper vibriert und kitzelt, die rechte Hand ist taub. Dann Filmriss, und ich sehe vom Boden zu den Menschen hoch.
    Zu viele Volt für Omen. Weit, weit entfernt aufgeregtes Kreischen und dann wird die Musik immer leiser und bei mir verlöschen die Lichter. Muss eine Sicherung durchgebrannt sein. Und das ist gut so. In der Ruhe liegt die Kraft.
     
    *
     
    Die Magdalenenstraße dämmert vor sich hin. Satt und ausgeruht. Die kargen Vorgärten warten vergeblich auf die Kinder. Das hier ist Hamburg, die Millionenstadt. Und doch auch ein Dorf. Ein ziemlich Verwaistes. Ich bin auf dem Weg zu Gaatz. Was weiß er über Marias Tod?
    Zwischen den Gründerzeithäusern ragt die steingewordene eckige Strenge junger Architekten hervor. Schienen gibt es hier zwar nicht, dafür aber ein Bahnhofsgebäude aus dem vorletzten Jahrhundert. Orientalisch anmutende Säulen stemmen eine gewaltige Terrasse. Unter dem Dach die Wohnung des Bahnhofswärters. Im Garten der alte Apfelbaum, von dem sich im Herbst die Kinder das Frühstück pflückten. Aber der Mann genießt längst den ewigen Ruhestand, draußen in Ohlsdorf. Sein Urenkel hat mittlerweile renoviert. Und der ist mindestens Chirurg in einer Privatklinik. Auf alle Fälle betucht. Wie ich auch. Mein Omen-Mantel sieht nach einer Reinigung und dem Vernähen des Schlitzes wieder ganz passabel aus.
    Etwas Pflege könnte auch die Magdalenenstraße gebrauchen. An der nächsten Straßenecke behauptet sich ein krachlederner Fleck. Das Restaurant Tirol. Ohne Berge, dafür mit zünftiger Einrichtung.
    Der Stromschlag hämmert wie ein nur langsam abziehendes Gewitter in meinem Kopf. Angeblich ein Unfall. Ein blank gescheuertes Starkstromkabel von der Lichtanlage. Ganz zufällig gegen den Hocker gerutscht. Gaatz ist knapp an einem Herzanfall vorbeigeschrammt. Den gemieteten Tontechnikern, die sich das auch nicht erklären konnten, hat er gleich an Ort und Stelle und für alle Zeiten die Freundschaft gekündigt.
    Dabei hätte ich merken müssen, dass mit dem Hocker etwas nicht stimmte.
    Strom kannst du riechen. Aber seitdem ich in neuen Klamotten herumlaufe und mir der freie Blick auf den Himmel fehlt, hat sich »So-Fort« auf und davon gemacht. So eine Intuition ist empfindlich wie ein Mädchen in der Pubertät.
     Ein laues Lüftchen zieht durch die Gassen Pöseldorfs. Drüben in den Konsulaten studieren Männer ihre Akten und nebenan in den Versicherungskonzernen werden Formulare zusammengeheftet. Niemand auf der Straße zu sehen.
    Das Atelier von Modedesigner Gaatz versteckt sich in einem Hinterhof. Ein ehemaliger Speicher über drei Etagen. Mit Seilzügen, an denen früher Säcke, Teppiche und Kisten hochgezogen wurden.
    »Willkommen bei der hellsten Fackel der Modebranche«, sagt neben mir Pfirsichblüte. Sie ist kaum wiederzuerkennen. Ihr glitzerndes Abendkleid hat sie gegen einen Trenchcoat eingetauscht und an den Füßen trägt sie statt Stiefeletten jetzt Schuhe, die sie einem Boxer geklaut haben muss, als der mal kurz zum Duschen verschwunden ist.
    »Sicherungen alle wieder eingeschraubt?«, fragt sie und sieht mich besorgt an.
    »Mode ist gefährlich.«
    Sheila lacht.
    »Sie ahnen nicht, wie recht Sie damit haben. Und Sie? Audienz beim Meister?«, fragt sie.
    »Keine Ahnung, wie ich zu der Ehre komme.«
    »Aber ich.«
    »Vielleicht ist er neugierig auf meinen Stylisten?«
    Sie lächelt mich an und berührt mein orangefarbenes Hemd.
    »Ehrlich gesagt sieht es aus, als hätte an ihnen ein ganzes Team gearbeitet und sich am Ende bös zerstritten.«
    Ich hätte ihr gern die Geschichte mit dem Rotkreuz-Container erzählt, aber die heb ich mir für später auf. Schließlich bin ich undercover unterwegs.
    »Es ist Ihre Rentier-Geschichte«, sagt Sheila.
    »Die Lappen und ihre balzende Kleidung?«
    »Unterschätzen Sie ihn nicht. Er ist ein Genie. Während Sie noch über den Witz lachen, ist der schon drei Denketappen weiter. Er braucht nur einen kleinen Anstoß, macht daraus eine ganze Kollektion. Wie die dann aussieht, steht auf einem anderen Blatt, aber er
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