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Catwalk in den Tod

Catwalk in den Tod

Titel: Catwalk in den Tod
Autoren: Michael Koglin
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geteert ist? Crohn mustert mich. Ich sehe an die Decke. Nein, geschlossene Räume sind nichts für mich.
    »Hat es ihnen gefallen?« Neben mir steht Gaatz. Auf seinen Wangen breiten sich hektische Flecken aus. Seine Augen leuchten wie bei einem Fünfjährigen, der gerade seinen ferngesteuerten Ferrari auspackt.
    »Folkloristische Akzente«, sage ich, weil, irgendetwas muss ich schließlich sagen. »Es gibt Anklänge an ...«
    »Interessant«, sagt er und kneift die Augen zusammen. Omen, du musst nachlegen, sonst fliegst du heute Abend noch aus dieser Welt.
    »Die Lappen ...«
    »Lappen?«
    »Na, diese Kerle mit ihren Rentieren, Nordschweden, Lappland ...«
    Gaatz sieht mich entgeistert an.
    »Diese Mischung aus Leder und Baumwolle, die dort getragen wird, irgendwie hab ich gedacht …«
    »Verstehe«, sagt Gaatz nachdenklich. Seine Stirnader pumpt Sauerstoff und bringt all die Lappenmädchen und -jungen, an die er sich erinnern kann, zum Tanzen.
    Eigentlich sitzt er schon an seinem Skizzenblock. Zeichnet, verwirft, prüft Stoffe und Leder. Erfindet Lappenschmuck mit DeBeers-Diamanten auf Rentierhorn.
    Helfen bringt Spaß.
    »Und dieser Geruch«, sage ich.
    »Sie meinen das Leder«, sagt er.
    »Die tränken ihre Hemden in Ochsenblut, um so das Gewebe widerstandsfähiger gegen die Kälte und das Ungeziefer zu machen.«
    Gaatz ist begeistert. Frederik Crohn sieht mich mit einem verwirrten Ausdruck an.
    »Aber das riecht eben und das wiederum ...«
    »Der Geruch?«, sagt Gaatz.
    »Ja, der Geruch von Blut, der macht die Frauen ganz verrückt. Es gibt ja immer Rituale und Traditionen, die helfen, die Population zu halten. Wären ja sonst in der Kälte schon längst ausgestorben.«
    Gaatz nickt.
    Entschuldigung, all ihr Lappen da oben in der nördlichen Kälte. Eine kleine Notlüge. Aber vielleicht macht der Meister etwas draus und dann hilft es Eurem Kampf für ein freies Lappland oder bessere Schulen.
    »Vielen Dank, das war sehr interessant«, sagt Gaatz und reicht mir die Hand. Da ist keinerlei Argwohn.
    Vielleicht ist ihm auch völlig gleichgültig, ob meine Geschichte stimmt. Er hat sie sich gern angehört. Was willst du mehr?
    »Entwerfen Sie auch Kindermoden?«, frage ich ihn.
    Er macht einen Schritt auf mich zu.
    »Mein großer Traum. Ich habe es mir fest vorgenommen, immer wieder, aber es ist schwierig, wirklich schwierig.«
    Sein Blick schweift ab in ein friedliches Land, in dem Kinder auf Karussells die Welt umkreisen.
    »Das muss stabil und leicht sein«, sagt er. »Und nicht albern. Das muss halten, wenn man auf Bäume klettert und viele Taschen haben, um all das Zeug unterzubringen, dass ein Kind immer bei sich haben muss.« Gaatz nickt und geht einen Schritt zurück.
    »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.« Er reicht dem Kommissar und mir die Hand.
    Keine vier Meter entfernt winkt er die wieder aufgetauchte Pfirsichblüte und Meisterin der Nadeln zu sich. Er raunt ihr etwas zu und sie nickt. Lächelnd tritt sie an unseren Tisch. An diesem Abend kommen wir alle aus dem Lächeln nicht mehr raus. Und das mitten in Hamburg. Nur der Kommissar sieht aus, als kämpfte er gerade gegen eine bedrohliche Macht. Ich verstehe das. Nach so viel Caipirinha zieht dir meist die erste oder zweite Ehefrau in den Kopf. Mit ihren frisch gepackten Koffern voller Diskussionen und Vorwürfen.
    »Herr Gaatz bittet Sie ganz herzlich, ihn doch mal in seinem Atelier zu besuchen.«
    Pfirsichblüte reicht mir eine Visitenkarte und neigt schiebt ihren Mund an mein Ohr.
    »Haben Sie ihm etwa in die Hose gegriffen?«
    Crohn ist das alles unheimlich. Er macht sich auf den Weg zu den Caipirinha-Mixern.
    Plötzlich rollt eine Kugel aus Alufolie über meinen Tisch. Niemand zu sehen.
    Ich bahne mir einen Weg durch die aufgeregt leuchtenden Gesichter. Von den Kindern keine Spur. Vielleicht ist ja alles nur falscher Alarm und die lieben Kleinen haben auf dem Nachhauseweg von ihrer verspäteten Faschingsparty nur mal kurz vorbeigeschaut.
    Die beiden Leibwächter sind verschwunden.
    Wieder werden die Lichter gedämmt und die Spots auf den Vorhang gerichtet. Crohn schluckt vor Schreck einen Eiswürfel herunter. Keine Verwechslung möglich. Tatsächlich betritt die leibhaftige Peggy March den Steg, der jetzt Carnaby Street heißt.
    Kaum hängt dir ein festes Dach über dem Kopf und versperrt die Sicht auf die Sterne, schon wirst du mit all dem alten Zeug vollgeramscht. Aber Gottseidank denk ich ja nicht so viel. Zumindest hab ich mir das
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