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Catwalk in den Tod

Catwalk in den Tod

Titel: Catwalk in den Tod
Autoren: Michael Koglin
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    Obdachlos? Das kannst du nicht werden, das musst du dir verdienen. Aber eigentlich wird das am Himmel entschieden. Jeder folgt seinem Stern da oben.
    Der eine führt dich nach Barmbek, der andere nach Blankenese und wieder ein anderer sagt: »Hey Stopp, abbiegen«, und schon geht’s in die Hafencity.
    Und dann gibt’s da einen Stern, der sieht ein bisschen zerlumpt aus. Mit ein paar Dellen drin. Und Kratzern. Von den Einschlägen. Torkelt durchs All. Ungerade Bahn wegen schwankender Schwerkraftverhältnisse. Ist leicht zu erkennen. Genau das ist er: Das ist der Penner-Stern.
    Manchmal will er nicht so recht leuchten und funzelt am Himmel nur so herum. Besonders, wenn in der Nacht Kälte und Nässe sich bei der Hand nehmen und die Elbhänge heraufkriechen. Aber dann rafft er sich doch wieder auf und strahlt, was das Zeug hält. Und hält seine grummelnde Mannschaft bei Laune. Hat alles seine Ordnung im Kosmos. Und besonders in der Milchstraße. Aber Gottseidank denk ich ja nicht so viel.
    Übrigens Milchstraße. Die gibt’s natürlich auch hier auf der Erde. Nur eben keine 700 Milliarden Sterne groß, sondern handlicher. Da brauchst du kein Fernrohr, nein, die passt von vorn bis hinten bequem in den Hamburger Straßenplan. Und wie es sich gehört, stehen hier stabile Häuser. Mit Gründerzeitsäulen und Schnörkeln und großen Fenstern. Und fest verschlossenen Türen aus schwerem dunklen Holz.
    Und nach dem Abendbrot gibt es Biozuckerwatte für die Kinder mit ein bisschen Dreck dran, weil das gut für die Verdauung ist.
    Planeten schwirren hier nicht herum, dafür gibt es Sterne. Zumindest über den Eingangstüren der Hotels. Für jeden was dabei. Es soll ja Leute geben, die begnügen sich mit drei oder fünf Sternen. Mit Zimmerbar oder Whirlpool. Und jeden Tag neuen Handtüchern. Andere wollen sich nur in ein sauberes Bett legen und ab und an mit dem Fernseher im Aufenthaltsraum durch die Welt streifen. Ich selber bin da verwöhnt. Ich steige nur in der Top-Kategorie ab: Im Hotel zu den Tausend Sternen. Da ist immer ein Plätzchen frei. Wo das ist? Einmal um die Ecke und dann gleich in der nächsten Querstraße. Musst nur hochsehen, zur glitzernden Decke da oben und zack, schon hast du eingecheckt. Mit leichtem Gepäck und feurigem Blick. Ist Penner-Poesie. Etwas Warmes braucht der Mensch.
    Nur manchmal weiß ich nicht so genau, wann das Buffet eröffnet ist. Es gibt ja Leute, die horten, ich richte mich da eher nach meinem knurrenden Magen. Und der knurrt mächtig.
    Elf Uhr, Ausgang am Dammtorbahnhof. Drüben in der Mönckebergstraße sind Hiltrud und Erbsen-Erich bereits bei der Arbeit. Und auch Kapuzen-Karl hat sein Frühstück sicher schon hinter sich. Ich gönn mir einen Abenteuertag. Dammtorbahnhof, das ist gefährliches Gebiet. Ne Menge Jungs und Mädchen in blauer Uniform. Mit Handschuhen. Aber auch nette Kundschaft, mit großzügigen Händen und ein paar losen Cents in der Tasche.
    Ein schöner Tag zum Handaufhalten, sag ich mir. Dabei ist jeder Tag ein guter Tag, doch dieser macht gleich einen Salto. Anders andersrum. Aber Gottseidank denk ich nicht so viel. Bleibt doch einer von den Bahnpolizisten vor mir stehen und sieht mich fragend an. Ich zieh den Kopf ein. Der zupft sich den rechten Handschuh von der Hand und wühlt in seiner Uniformjacke. Handschellen, denk ich … aber nein, der fingert fünfzig Cent aus der Tasche und drückt sie mir in die Hand.
    Und das Tollste: Es kommt überhaupt kein dummer Spruch, wie: Leiste Dir mal ein Hotel oder so. Und ich muss auch nicht sagen: »Ich werd mich gleich um die Präsidentensuite im Atlantik kümmern.«
    Keine Spur. Nein, er sieht mich mit diesem »Kann-jedem-passieren-Blick« an. Himmel, vielleicht hat er in der Zeitung was von Einsparungen im Öffentlichen Dienst gelesen und will sich ganz clever schon mal einen Platz neben mir reservieren. Sicher ist sicher, sagt der sich, weil er ja seinem Beamten-Stern folgt. Aber eigentlich sieht er doch nicht so aus, als müsste ich ihn anlernen. Ist einfach ein netter Kerl.
    Mit dem Duft von frischen Brötchen weht auch eine junge Frau auf mich zu. An der Hand einen Jungen und ein Mädchen. Geschwister? Auf jeden Fall mächtig zusammengewürfelt. Die Frau muss so um zwanzig Jahre sein. Ihr glänzendes Haar fließt in Wellen unter ihrem Strickkäppi hervor. Das Mädchen ist vielleicht elf, der Junge etwas jünger. Zwei kleine Asiaten und eine südamerikanische Prinzessin. Sie will den Polizisten ansprechen, doch
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