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Catwalk in den Tod

Catwalk in den Tod

Titel: Catwalk in den Tod
Autoren: Michael Koglin
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mit Stil zu tun.
    Vor den ehrwürdigen Säulen am Eingang des Völkerkundemuseums züngeln angestrahlte Papierstreifen, die wie Fackeln aussehen sollen. Schwere Bässe rollen durch die Eingangshalle, in der sonst aufgeregte Kinder herumtollen, während die Eltern ihre Mäntel abgeben.
    Doch heute sind die Treppenaufgänge zu den mongolischen Jurten, Samurai-Schwertern, Südsee-Einbäumen und indianischen Mumien gesperrt.
    »Es tut mir sehr leid, aber ich müsste sie noch eintragen«, sagt eine brünette Frau. Die schwarz gekleideten Männer von der Sicherheitsfirma blicken starr zur Tür wie ein paar wackere Bauern, die sich auf einem Schachbrett vor ihren Offizieren postiert haben.
    »Das ist mir jetzt aber unangenehm«, sage ich.
    Die Frau lässt den Umhänger mit dem leuchtenden kleinen Pappschild sinken.
    »Sie haben keine Einladung?«
    »Nun, zumindest keine, die ich vorzeigen dürfte.« Ich beuge mich näher an ihren Kopf. »Ich mache das Casting für so eine neue Modelshow im Privatfernsehen«, sage ich. »Aber es wäre schon besser, wenn nicht gleich jede der Damen mitbekommt, dass sie mit mir ins Bett gehen muss.«
    Die Brünette lächelt.
    »Verstehe, dann haben Sie mit Herrn Benthien gesprochen?«
    Ich nicke, weil, Nicken ist nur eine halbe Lüge. Obwohl, halbe Lügen gibt es gar nicht, aber so ein hübscher Satz kann trotzdem dein Gewissen beruhigen. Ja, so ein »halb« gehört zur großen Wundertüte des Lebens.
    Sie reicht mir das Schild mit einer Schlaufe, auf der MVCM eingewebt ist.
    Keine Ahnung, was die drei Buchstaben bedeuten, aber ich bin jetzt ein VIP. Noch dazu inkognito. Das kleine Schildchen hat es in sich. Ein Blaulicht auf dem Kopf könnte nicht besser funktionieren.
    Hübsche junge Damen umkreisen mich. In enger werdenden Bahnen. Und lächeln mich an. So muss es Hugh Grant gehen, wenn er gerade von seinem letzten Scheidungstermin kommt.
    Kein Zweifel, ich hab jetzt eine Aura. Kann man zwar nicht sehen, ist aber vorhanden.
    Die Dame vom Eingang hat unser kleines Geheimnis nicht ganz für sich behalten können. Das verstehe ich, schließlich gehört das zu ihren beruflichen Pflichten.
    Auch ansonsten geht es in diesem Universum seltsam zu.
    Trotz meiner einmeterneunzig muss ich immer hochsehen, wenn eine der Damen auf mich zutritt. So etwas kann dein ganzes Weltbild durcheinanderbringen, aber Gottseidank denk ich ja nicht so viel.
    Beim Handaufhalten mach ich mich ja immer eher klein, weil, sonst haben die Leute Angst, ich könnte sie am Ende noch verhauen, wenn sie nur Kupfer in meine Dose klötern lassen. Dabei liebe ich Cent-Stücke. Kannst du länger dran zählen.
    Eine ganz neue Welt diese Welt. Hilft aber nichts. Ich folge der Spur der Schaufensterpuppe. Und ausgerechnet das Modehaus, dem sie abhandengekommen ist, gibt heute ein Fest »unter Freunden« mit einem »kleinen Ausblick auf die neue Kollektion«.
    Ich drehe mich langsam um und versuche, eine der Wände im Rücken zu behalten. Sollte meine Verkleidung doch nicht so perfekt sein, muss ich jederzeit mit einem Messer rechnen. Dabei hat sich auf der Wunde gerade erst Schorf gebildet. Und noch ein Stich? Sieht auf dem Pathologen-Tisch doch aus wie eine Billigfettabsaugung Made in Bangkok.
    Etwas schräg sieht ein dünner Mann aus, der von zwei Bodyguards abgedeckt wird.
    »Wenn ich Ihnen helfen kann, ich kenne mich in dieser verrückten Welt ein bisschen aus.«
    Der Mann im Designeranzug hat einen französischen Akzent. Er strahlt mich an, als wolle er mich zu einem Wein ins Bistro um die Ecke einladen.
    »Wenn es Ihnen zu laut wird, wir haben hinten noch einen Ruheraum eingerichtet«, sagt er und nickt mir zu.
    »Amüsieren Sie sich gut.«
    Er streckt mir die Hand entgegen und sagt: »Adrien ist mein Name. Schön, hier mal ein neues Gesicht zu sehen.«
    Ein paar Kellner reichen Häppchen, auf denen, wie in den Sechzigern, bunte Fähnchen wehen. Die jungen Damen sehen gleichgültig an den Kellnern vorbei und die machen schon ganz unglückliche Gesichter. Nicht, dass sie für die Frauen Luft wären, nein, sie sind weitaus gefährlicher. Diese Kellner sind Diener der Hölle. Mensch gewordene Hungergeister, die mit ihrem Angebot an Kaviar-, Lachs- und Krebsfleischhäppchen auf silbernen Tabletts einen Angriff auf die Wespentaillen der Damen fahren. Sie sind leibhaftige Ausgeburten der Kalorien-Hölle, die alle aufbläst, die nur einmal schwach werden.
    Aber diese Frauen sind gefeit. Das ist ja nur Essen und Essen macht hungrig. Essen
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