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Castello Christo

Titel: Castello Christo
Autoren: Arno Strobel
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stand auf.
    »Ist es die gleiche Tätowierung wie bei den anderen?«, fragte Lucciani erwartungsvoll.
    Varotto sah den Toten noch einmal an und nickte dann.
    »Ja, exakt die gleiche, sogar an der gleichen Stelle. So wie’s aussieht, wurde sie gestochen, als er noch sehr jung war. Sie ist mit der Haut gewachsen.« Er machte eine kurze Pause, bevor er hinzufügte: »Genau wie bei den anderen.«
    »Und haben Sie eine Vorstellung davon, was diese Szene darstellen soll?«
    Statt einer Antwort ging Varotto nochmals um die Toten herum. Seine Augen suchten den Boden ab. »Wurden schon Spuren gesichert?«
    Lucciani seufzte. »Die Kollegen von der Spurensicherung sind dabei. Nach dem Regenguss vorhin wird’s allerdings schwierig sein, noch irgendwas zu finden. Wonach suchen Sie?«
    Wieder gab Varotto keine Antwort. Er bückte sich und schob seine Hand behutsam unter das Schulterblatt des liegenden Toten, dort, wo auch die Hand des Dunkelhäutigen verborgen war. Nach wenigen Sekunden richtete er sich auf und streckte Lucciani einen kleinen Gegenstand entgegen, den dieser erst erkannte, nachdem er einen Schritt näher getreten war.
    »Markus 15,21«, brummte Varotto.
    Verständnislos wanderten Luccianis Augen von Varottozu dem kleinen hölzernen Kreuz und wieder zurück. Die beiden Männer standen sich jetzt dicht gegenüber.
    »Ich habe eigentlich etwas anderes erwartet   ... Das hier, das ist die fünfte Station des Kreuzwegs, Lucciani«, erklärte Varotto. »Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz tragen.«

Vatikan. Palazzo Sant’ Ufficio
    3
    Siegfried Kardinal Voigt legte den Brief vor sich auf den massiven Schreibtisch und sah Monsignore Bertoni nachdenklich an, der ihm gegenüber auf einem der schlichten Besucherstühle saß und gerade zum wiederholten Mal mit fahrigen Bewegungen seine Soutane über den Oberschenkeln glattstrich.
    Der große schlanke Kardinal wirkte mit seinen kurzgeschorenen eisgrauen Haaren und der für seine 64   Jahre außergewöhnlich glatten, leicht gebräunten Haut wie ein erfolgreicher Manager, der als »Macher des Jahres« das Cover eines Wirtschaftsmagazins hätte zieren können. Böse Zungen behaupteten insgeheim, diese charismatische Ausstrahlung hätte ihm geholfen, bis in die höchsten Ebenen der kirchlichen Hierarchie aufzusteigen; wäre ihm dies je zu Ohren gekommen, hätte er es allerdings weit von sich gewiesen, sah er sich selbst doch nur als demutsvollen Diener Gottes und der Kirche.
    Voigt war als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre gleichzeitig auch Präsident der Päpstlichen Bibelkommission und somit Bertonis Vorgesetzter. Der 7 9-jährige zartgliedrige Monsignore war schon vier Jahre als Sekretär der Kommission unter Voigt tätig. In dieserZeit hatten sie viele Gespräche geführt, aber der Kardinal konnte sich nicht erinnern, Bertoni jemals so nervös erlebt zu haben. Auch hatte es noch nie ein so frühes Treffen gegeben. Als Voigt um Punkt sieben seine Büroräume betrat, wartete Bertoni schon im Vorzimmer auf ihn und verstieß damit klar gegen die Order des Kardinalpräfekten, ihn nicht vor halb acht zu behelligen. Normalerweise nutzte Voigt die halbe Stunde der Ruhe, um seinen Tag zu planen, manchmal lehnte er sich aber auch nur zurück und ließ den Blick über die Einrichtung seines Arbeitszimmers gleiten. Die meisten der schweren Möbelstücke waren schon sehr alt, und es schien, als ließen sie ihn in diesen morgendlichen Minuten ein wenig an der geheimnisumwitterten Vergangenheit der Kongregation teilhaben, die einst als
Sanctum Officium
die Menschen in Angst und Schrecken versetzt hatte, ja vor der sich sogar die Päpste gefürchtet hatten. In solchen Momenten kam Siegfried Voigt oft in den Sinn, welch schwere Verantwortung er trug, besonders in Anbetracht der jüngsten Vergangenheit: Sein Vorgänger im Amt des Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Kurt Kardinal Strenzler, hätte die katholische Kirche als neugewählter Papst beinahe in den Abgrund geführt, wenn nicht durch das beherzte Handeln von   ... Der Kardinal seufzte.
    »Monsignore Bertoni, warum, glauben Sie, hat man Ihnen diesen Brief zukommen lassen?«, fragte er mit ruhiger Stimme.
    Bertoni zog die Schultern hoch. »Vielleicht, weil der Verfasser sicher sein wollte, dass der Text gleich verstanden wird?« Bevor der Kardinal etwas entgegnen konnte, fügte er schnell hinzu: »Und weil er davon ausgehen konnte, dass ich den Brief natürlich sofort an Sie weitergeben
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