Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Castello Christo

Titel: Castello Christo
Autoren: Arno Strobel
Vom Netzwerk:
verschlissenen Mantels wischte er sich den Mund trocken und starrte auf den Bürgersteig, auf dem er den Jungen hatte entlangkommen sehen.
    Ein
göttliches
Gefühl. Das war es, was nicht gepasst hatte. Die schwarze Kleidung, der weiße Rand am Hals. Ein weißer Kragen. Diese Männer waren   ... Gottesmänner. Katholische Priester.
    In diesem Moment, da ihm das klar wurde, schwor sich Edoardo, keinem Menschen jemals davon zu erzählen. Wozu auch? Man würde denken, er habe sich um den Verstand gesoffen. Und vielleicht stimmte das ja auch, und der Wagen, das Kind, die Männer, all das existierte nur in seiner Einbildung. Vielleicht war er seinem Ziel ja schon weit näher, als er gedacht hatte.

17.   OKTOBER 2005
    Ein Waldstück am nördlichen Stadtrand von Rom
    2
    Reflexartig trat Daniele Varotto auf das Bremspedal, als der stämmige Mann im Lichtkegel seiner Scheinwerfer auftauchte. Er musste irgendwo zwischen den Bäumen gestanden haben und erst im letzten Moment auf den Waldweg gesprungen sein, der von dem Platzregen eine Stunde zuvor ganz aufgeweicht war. Wahrscheinlich hatte er, an einen Baum gelehnt, ein Schläfchen gehalten.
    Wüst fluchend öffnete der Commissario das Seitenfenster des BMWs.
    »Sie verdammter Idiot! Sind Sie lebensmüde?!«, blaffte er den Carabiniere an. »Fast hätte ich Sie über den Haufen gefahren.«
    »Entschuldigen Sie, Commissario«, stammelte der Polizist, nachdem er mit einer Taschenlampe den Ausweis angeleuchtet hatte, den Varotto ihm entgegenstreckte. Er hatte mindestens dreißig Kilo Übergewicht und schnaufte schwer, als hätte er gerade einen Hundert-Meter-Lauf hinter sich. »Ich   ... ich muss jeden Wagen kontrollieren, der hier durchwill. Ich konnte ja nicht ahnen, dass . . .«
    »Dass Sie jemandem vor den Wagen springen, der nach 24   Stunden ununterbrochenem Dienst erst gegen halb zwei ins Bett gekommen ist, aus dem ihn die Kollegen vier Stunden später wieder herausgeklingelt haben?«, wurde er schroff unterbrochen.
    »Also   ... Gleich da vorne ist es, nach etwa vierhundertMetern, auf der rechten Seite«, antwortete der Carabiniere eingeschüchtert. »Sie werden . . .«
    Varotto ließ ihn nicht ausreden. Er legte den ersten Gang ein und gab Gas, so dass die durchdrehenden Reifen matschige Erdklumpen nach hinten schleuderten. Mit einem Blick in den Rückspiegel sah er den Mann völlig verdreckt im schwachen Rot der Rückleuchten wild gestikulieren. Er grinste voll Genugtuung, während er auf den immer heller werdenden Lichtschein zufuhr, eine leuchtende Insel aus Scheinwerferlicht, in deren Zentrum mehrere Personen in weißen Schutzanzügen geschäftig hin und her liefen.
    Hinter zwei Polizeifahrzeugen stellte er den Wagen ab und stieg aus. Einen Moment lang drehte er sich um und blickte zurück in den Wald. Die Finsternis war unergründlich. Plötzlich presste ihm eine unerklärliche Angst die Lungen zusammen. Varotto dachte an Dottore Parella und versuchte, tief und gleichmäßig zu atmen, als er spürte, dass der schlammige Weg unter seinen Füßen zu schwanken begann. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
Hilf mir, Francesca! ,
flehte er im Stillen. Und wusste doch, dass sie ihm nicht mehr helfen konnte. Intuitiv lehnte er sich gegen die Fahrertür des BMWs, während seine Sinne in einen Strudel gerieten, der ihn jegliches Gefühl für Zeit und Raum verlieren ließ.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Die Worte kamen von weit her, wie das sanfte »Guten Morgen«, mit dem Francesca ihn so oft aus seinen Träumen in die Wirklichkeit zurückgeholt hatte.
    »Signore! Was ist mit Ihnen?«
    Zum Greifen nah waren die Worte jetzt, und Varotto griff nach ihnen wie nach einem Rettungsanker, an dem er sich hochziehen konnte, zurück in die Realität. Er öffnete die Augen, drehte aber gleich geblendet den Kopf zur Seite.
    Der ältere uniformierte Mann, der ihn angeleuchtet hatte, senkte seine Taschenlampe.
    »Kann ich Ihnen helfen, Signore?«, fragte er noch einmal.
    Varotto schüttelte den Kopf und rieb sich mit Zeigefinger und Daumen die Augen.
    »Nein, danke, alles in Ordnung. Ich bin nur hundemüde, hab kaum geschlafen.«
    Der Carabiniere trat nun einen Schritt zurück und setzte eine strenge Miene auf, da ihm die Anweisungen seines Chefs wohl wieder in den Sinn gekommen waren.
    »Darf ich fragen, was Sie hier zu suchen haben? Können Sie sich ausweisen?«
    Varotto fühlte Ärger in sich aufsteigen. Erleichtert registrierte er, dass er wieder völlig in der Wirklichkeit angekommen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher