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Castello Christo

Titel: Castello Christo
Autoren: Arno Strobel
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Die nasse Fahrbahn und das trübe Licht machten das Fahren zu einer Tortur. Varotto ließ das Fenster zur Hälfte herunter in der Hoffnung, die frische Luft würde seine bleierne Müdigkeit vertreiben, schloss es aber gleich wieder, da es so stark windete, dass ihm Regentropfen gegen die Wange schlugen.
    Das verwunderte Gesicht des jungen Lucciani kam ihm in den Sinn, als er ihn gefragt hatte, ob das dunkelhäutige Opfer aus Schahhat kam. Dabei war das alles andere als Hellseherei gewesen. Er hatte sich am Sonntagabend intensiv mit den Kreuzwegstationen beschäftigt und irgendwo gelesen, dass Zyrene der alte Name des heutigen Schahhat war. Der oder die Täter hatten sich also tatsächlich die Mühe gemacht, einen Mann aus genau dieser Stadt für die Szene zu finden. Wie viele Libyer gab es in Rom, die aus Schahhat stammten? Doch sicher nur ein paar, und die mussten erst mal ausfindig gemacht werden. Die fünfte Station war folglich von langer Hand vorbereitet worden. Ein weiterer Hinweis darauf, dass eine ganze Organisation hinter der Sache stecken musste. Er dachte an das Telefonat mit Tissone. Der Fall werde immer bizarrer, hattesein Kollege gesagt. Was hatte das zu bedeuten? Wie sollte noch zu steigern sein, was er wenige Stunden zuvor im Wald gesehen hatte?
    Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. Wenn er nicht bald eine Pause machte, würde er hinter dem Lenkrad einschlafen. Fünfzehn Minuten würden schon reichen. Angespannt suchten seine Augen nach einer Möglichkeit zu halten, bis er durch den Regenvorhang ein Schild erblickte, das zu einem Supermarkt führte. Aufatmend setzte er den Blinker.
    Die Tiefgarage erwies sich als optimal. Varotto lenkte den BMW auf den Parkplatz, der am weitesten vom Aufzug entfernt war, und stellte den Motor ab. Dann nahm er seinen Schlüsselbund von der Konsole, kreuzte die Unterarme über dem Lenkrad und legte den Kopf darauf. Ein Trick, den ein Kollege ihm einmal verraten hatte. Je fester er schlief, umso mehr entspannten sich seine Muskeln. Irgendwann würde der Schlüsselbund ihm aus der Hand gleiten und mit klirrendem Geräusch zu Boden fallen. Varotto hatte diese simple Methode schon einige Male angewandt und war stets zuverlässig aus dem Schlaf aufgeschreckt.
    Er schloss die Augen, froh, endlich ein wenig Ruhe zu finden. Während die Welt um ihn herum an Bedeutung verlor, lauschte er seinem Atem, den er immer deutlicher zu hören glaubte. Doch anstatt dadurch ruhiger zu werden, fiel ihm das Atmen seltsamerweise mit jedem Mal schwerer, er musste sich geradezu anstrengen, dem bedingungslosen Fordern seiner Lungen nach Sauerstoff gerecht zu werden. Plötzlich hörte er neben sich ein Stöhnen. Verwirrt öffnete er die Augen. Es herrschte Dunkelheit. Eine Dunkelheit von absoluter, undurchdringlicher Schwärze. Als er nach rechts blickte, sah er jedoch einen Frauenkörper,so deutlich, als würde er von einer geheimnisvollen Lichtquelle angestrahlt. Die Frau hatte langes, pechschwarzes Haar und war von geradezu übernatürlicher Schönheit. Francesca. Seine Francesca. Er lächelte. Er kannte keinen Menschen, der das Leben so bedingungslos liebte, der so unumstößlich an das Positive jeder Situation glaubte, auch wenn sie noch so unangenehm war. Selbst tot strahlte ihr Gesicht noch Sanftmut und Zärtlichkeit aus   ... Tot? Wie kam er darauf, dass sie tot war? Eben hatte sie doch noch gestöhnt. Er beugte sich über sie und drückte sein Ohr an ihre Brust. Nichts. Hastig packte er sie an den Schultern, schüttelte sie, rief ihren Namen, immer wieder. Doch sie hing nur schlaff in seinen Armen. Auf einmal hörte er es klappern. Er schreckte hoch – und starrte auf das Armaturenbrett seines BMWs. Er rieb sich die Augen und sah sich, noch ganz benommen, im Wagen um. Auf den C D-Hüllen , die er neben dem Schaltknüppel in die Ablage gestopft hatte, lag sein Schlüsselbund.
    Ein Traum. Wieder einer dieser schrecklichen Träume. Er lehnte sich im Fahrersitz zurück. Als er sich über die Stirn wischte, war sein Handrücken nass. Er drehte den Zündschlüssel und warf einen Blick auf das Display des Autoradios. 9   Uhr 20.   Er hatte etwa fünfzehn Minuten geschlafen und fühlte sich trotzdem noch völlig ausgelaugt. So wie er sich fast jeden Morgen fühlte, wenn er schweißnass, manchmal schreiend, manchmal sich panisch aufsetzend, in seinem zerwühlten Bett aufwachte. Seit einem Dreivierteljahr ging das nun schon so; er hatte die Hoffnung fast aufgegeben, dass es irgendwann
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