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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht
Autoren: Ally Condie
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dorthin gebracht werden«, sage ich leise. »Aber ich muss wissen, wohin genau und wie ich dorthin gelangen kann. Ich brauche eine Landkarte.«
    Er schüttelt den Kopf.
Nein.
    Kann er es mir nicht sagen? Oder will er es nicht? »Ich habe noch etwas anderes«, versuche ich es ein letztes Mal.
    Ich drehe mich so, dass weder Xander noch der Funktionär meine Hände sehen können, und greife in den Beutel. Meine Finger streifen gleichzeitig die Folie der Tabletten und die harte Oberfläche des Kompasses, und ich halte inne.
    Was soll ich eintauschen?
    Mir wird auf einmal schwindelig, und ich bin verwirrt, wie an dem Tag, als ich Ky sortieren musste. Der Dampf in der Halle, der Schweiß, der bedrückende Zwang, eine Entscheidung treffen zu müssen …
    Behalte einen klaren Kopf!
, ermahne ich mich. Ich werfe einen Blick über die Schulter zu Xander, und für einen kurzen Moment blicke ich in das Blau seiner Augen, bevor er sich wieder dem Funktionär zuwendet. Ich erinnere mich daran, wie Ky vom Airtrain-Gleis aus auf mich hinuntergeblickt hat, bevor sie ihn fortbrachten, und erneut erfasst mich die panische Angst, dass mir die Zeit davonläuft.
    Ich treffe eine Entscheidung, fasse erneut in den Beutel und hole den Gegenstand heraus, den ich eintauschen will. Ich halte ihn gerade hoch genug, damit der Mann ihn sehen kann. Ich unterdrücke das Zittern meiner Hände und versuche, mich davon zu überzeugen, dass ich dies hier entbehren kann.
    Er lächelt und nickt mir zu. »Gut«, sagt er. »
Das
ist einiges wert. Aber es kann Tage, ja Wochen dauern, um das Gewünschte für Sie zu besorgen.«
    »Ich habe nur noch heute Abend«, flüstere ich.
    Bevor ich noch etwas hinzufügen kann, nimmt der Mann den angebotenen Gegenstand an und lässt mich mit leeren Händen zurück. »Wo gehen Sie als Nächstes hin?«
    »In die Konzerthalle«, antworte ich.
    »Schauen Sie unter Ihrem Sitz nach, bevor Sie den Saal verlassen«, murmelt er. »Ich werde mein Bestes tun.« Über uns wird die Beleuchtung gedimmt. Auch seine Augen werden wieder teilnahmslos, und in derselben tonlosen Stimme wie am Anfang sagt er zu mir: »Wir schließen. Sie müssen jetzt gehen.«
     
    Während des Konzerts lehnt sich Xander zu mir hinüber und fragt mich: »Hast du bekommen, was du wolltest?« Seine Stimme ist tief, und sein Atem streichelt meinen Nacken. Der Funktionär, der auf der anderen Seite neben ihm sitzt, blickt geradeaus. Auf der Armlehne seines Sitzes trommelt er mit den Fingern im Takt der Musik.
    »Das weiß ich noch nicht«, antworte ich. Der Archivist sagte, ich solle vor dem Hinausgehen unter meinem Sitz nachsehen, aber ich bin versucht, schon vorher nachzuschauen. »Danke, dass du mir geholfen hast.«
    »Das tue ich doch immer«, antwortet Xander.
    »Ich weiß«, entgegne ich. Ich denke an seine Geschenke: das Gemälde, die blauen Tabletten, säuberlich aufgereiht in ihrer Verpackung. Mir wird bewusst, dass Xander sogar den Kompass, mein Geschenk von Ky, für mich gerettet hat, an jenem Tag, als in unserer Siedlung die Artefakte konfisziert wurden.
    »Aber es gibt manches, was du nicht über mich weißt«, sagt er, und ein mutwilliges Grinsen huscht über sein Gesicht.
    Ich schaue hinunter auf seine Hand, mit der er meine umfasst. Mit dem Daumen streichelt er mich. Ich sehe ihm wieder ins Gesicht. Obwohl er immer noch lächelt, ist seine Miene jetzt ernster. »Stimmt«, sage ich. »Ich weiß nicht alles.«
    Wir halten einander fest. Die Musik der Gesellschaft brandet um und über uns, aber unsere Gedanken gehören nur uns allein.
     
    Als ich aufstehe, fahre ich mit einer Hand unter dem Sitz entlang. Ich ertaste etwas – ein zusammengefaltetes Stück Papier –, das sich ganz leicht löst, als ich daran zupfe. Obwohl ich mir meinen Fund am liebsten sofort ansehen würde, stecke ich ihn stattdessen in die Tasche. Was habe ich bekommen? War es ein guter Tausch?

    Der Funktionär begleitet uns zurück zum Hauptgebäude des Lagers. Er lässt den Blick durch das Foyer, über die langen Tische und das wuchtige Terminal schweifen. Als er wieder mich ansieht, liegt ein seltsamer Ausdruck in seinen Augen. Mitleid? Ich recke das Kinn nach vorn.
    »Sie haben zehn Minuten, um sich zu verabschieden«, sagt der Funktionär zu uns. Jetzt, wo wir wieder im Lager sind, klingt seine Stimme schneidender als draußen. Er holt seinen Datenpod hervor und nickt dem Wachmann zu, der darauf wartet, mich zurück in meine Unterkunft zu bringen.
    Xander und ich atmen
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