Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht
Autoren: Ally Condie
Vom Netzwerk:
ist es zu spät«, meint Xander, »aber wir können in die Stadt gehen. Wo möchtest du gerne hin?«
    »Ich weiß nicht einmal, was es in der Stadt alles gibt«, erwidere ich. Vage erinnere ich mich daran, wie ich mit dem Airtrain angekommen und die Straße hinunter zum Weitertransport ins Lager gegangen bin. An fast kahle Bäume, die den Himmel mit ihren spärlichen roten und goldenen Blättern sprenkelten. Aber ist es wirklich
diese
Stadt oder eine andere in der Nähe eines anderen Lagers gewesen? Es musste weit früher im Herbst gewesen sein, wenn die Blätter noch so kräftig geleuchtet hatten.
    »Die Einrichtungen hier sind kleiner«, erklärt Xander. »Aber es gibt alles, was es in unserer Siedlung auch gab – eine Konzerthalle, ein Spielcenter und ein, zwei Kinos.«
    Ein Kino! Ich habe schon so lange keine Filmvorführung mehr gesehen. Dort möchte ich hingehen und will es schon aussprechen. Ich stelle mir vor, wie das Licht im Saal gedimmt wird und ich darauf warte, dass Bilder über die Leinwand flackern und Musik aus den Lautsprechern ertönt. Doch dann erinnere ich mich an die Angriffe und die Tränen in Kys Augen, als das Licht wieder eingeschaltet wurde, und ich habe eine andere Idee. »Gibt es hier ein Museum?«
    Ein Funke blitzt in Xanders Augen auf, den ich nicht einordnen kann. Erheiterung? Überraschung? Ich beuge mich näher zu ihm hin, um sicherzugehen. Normalerweise stellt er für mich kein Geheimnis, nichts Mysteriöses dar: Er ist offen und ehrlich, und ich kann ihn lesen wie eine Geschichte, die ich wieder und wieder lese und immer aufs Neue liebe. Doch in diesem Moment weiß ich nicht, was er denkt. »Ja«, beantwortet er meine Frage.
    »Da möchte ich gerne hin«, sage ich, »wenn du damit einverstanden bist.«
    Xander nickt.
    Bis zur Stadt ist es ein Stück zu Fuß, und draußen riecht es nach Landluft – Holzfeuer, eine kühle Brise und Äpfel, die zu Most vergären. Ich empfinde eine plötzliche Zuneigung für diesen Ort, und ich weiß, dass sie mit dem Jungen neben mir zu tun hat. Xander verschönert alles, jeden Ort, jeden Menschen. Die Abendluft trägt das bittersüße Aroma dessen mit sich, was hätte sein können, und ich atme tief ein, als Xander sich unter dem gelblichen Licht einer Straßenlaterne umdreht und ich in seinem Blick immer noch lese, was sein könnte.

    Als ich sehe, dass das Museum nur einstöckig ist, verlässt mich der Mut. Es ist so klein! Was ist, wenn es hier nicht so funktioniert wie in Oria?
    »Wir schließen in einer halben Stunde«, mahnt der Mann am Empfang. Seine Uniform sieht fadenscheinig und gebraucht aus, genau wie er selbst – als seien die Ränder ein wenig abgestoßen. Er fährt mit den Händen über den Tisch und schiebt uns einen Datenpod zu. »Geben Sie Ihre Namen ein«, sagt er, und das tun wir, der Funktionär zuerst. Von nahem betrachtet, hat er dieselben müden Ränder um die Augen wie der ältere Mann am Empfang.
    »Danke«, sage ich, nachdem ich meinen Namen eingegeben und den Datenpod wieder dem Mann zugeschoben habe.
    »Bei uns gibt es nicht viel zu sehen«, sagt er.
    »Das macht uns nichts aus«, erwidere ich.
    Ich frage mich, ob unser Funktionär es merkwürdig findet, dass ich ausgerechnet hierher wollte, doch zu meiner Überraschung dreht er sich praktisch sofort weg, als wir den Hauptausstellungsraum des Museums betreten. Ganz so, als wolle er uns die Möglichkeit geben, uns allein zu unterhalten. Er geht zu einer Vitrine hinüber und lehnt sich nach vorn, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, in einer Pose, die in ihrer Lässigkeit fast elegant wirkt. Ein netter Funktionär. Natürlich muss es die geben. Großvater war einer.
    Erleichterung erfüllt mich, als ich praktisch sofort finde, was ich suche – eine Landkarte der Gesellschaft hinter Glas. Sie steht in der Mitte des Raumes. »Da«, sage ich zu Xander. »Wollen wir uns die mal ansehen?«
    Xander nickt. Während ich die Namen der Flüsse, Städte und Provinzen lese, tritt er neben mir von einem Fuß auf den anderen und fährt sich mit einer Hand durch die Haare. Anders als Ky, der an solchen Orten stillhält, macht Xander ständig kleine, selbstvergewissernde Bewegungen, kleine Regungswellen. Das macht ihn bei den Spielen so unschlagbar gut – das Hochziehen der Augenbrauen, das Lächeln, die Art, wie er ständig die Karten mit den Fingern hin und her schiebt.
    »Diese Ausstellung ist schon seit längerer Zeit nicht auf den neuesten Stand gebracht worden«, sagt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher