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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe
Autoren: Maya Trélov
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erschrocken, dass ich mich nicht mehr rührte, doch dann kam die Wut wie eine heiße Flutwelle zurück.
    „Ich will euch alle brennen sehen.“
    Die Worte waren aus meinem Mund gekommen, doch ich erschrak vor meiner Stimme. Sie klang wie das Röcheln eines ausgehungerten Wolfes. Mehr noch erschrak ich vor dem, was ich soeben gesagt hatte.
    Von allen Seiten blickten mich entsetzte Gesichter an.
    „Was sagt sie?“, wisperte die Witwe Ranah, der alle Zähne fehlten.
    „Sprich lauter, Cara“, rief es aus einer der hintersten Reihen und direkt neben mir.
    „Wen will sie brennen sehen?“
    Alle Augen waren auf mich gerichtet wie Speere. Aranes Finger gruben sich in mein Fleisch, doch es waren ihre Worte, die mich retteten.
    „Die Feinde des Lichtes“, zischte sie. „Meine Tochter will alle Feinde des Lichtes brennen sehen.“
    Der Priester schlich zu mir heran. Sein Gesicht war so nahe an meinem, dass seine Hakennase mein Ohr streifte. Ich schauderte, doch Aranes Klammergriff bewahrte mich vor einer Flucht.
    Bardorack sog die Luft ein. „Ahhhh.“ Sein Atem war feucht an meiner Wange, schwebte wie ein Gifthauch durch die Reihen der Gemeinde. „Das ist guuut.“
    Ich bebte am ganzen Körper. Ich fühlte mich beschmutzt, vergiftet und verlassen. Die Gesichter um mich waren hart wie Stein. Müde sahen sie aus und misstrauisch wie Hunde, die man zu oft geschlagen hatte. Für Mitleid gab es in diesem Dorf keinen Platz. Jeder von ihnen war froh, dass es nicht ihn getroffen hatte, und ich selbst konnte mich davon nicht ausnehmen. Feige war ich, nichts als feige. Die Welt verschwamm hinter dem Schleier meiner Tränen.
    „Weint nicht um die Unreinen“, rief Bardorack. Er sprang zurück, breitete die Arme aus und lachte.
    Die Männer zerrten Korrel zur Tür und aus der Kirche hinaus. Der alte Mann hatte es längst aufgegeben, sich zu wehren. Schlaff wie ein Mehlsack hing er zwischen seinen Häschern. Sie würden ihn in der alten Scheune einsperren, wo er drei gnädige Tage darben musste, bevor sie ihn an Holz fesseln und den Flammen überlassen würden.
    Kraftlos sank ich nieder und vergrub mein Gesicht in den Händen. Tränen der Scham und der Wut quollen aus meinen Augen.
    „Geht nach Hause“, rief Bardorack triumphierend. „Das Licht hat wieder einmal gesiegt.“

Kapitel 3
    Für den Rest des Tages schuftete ich am Haus, während meine Mutter anderer Leute Kleider wusch und flickte. Mit hochgekrempelten Ärmeln stapfte ich über die verkrustete Erde, suchte Risse in den Wänden und stopfte sie mit Gras und kleinen Zweigen aus. Es war Mittag, doch die Sonnenstrahlen drangen nur als wabernder Schein zwischen den dicken Nebelfeldern und Wolken hindurch. Auf eine seltsame Art war ich froh darum. Ich hätte es an diesem Tag nicht ertragen, goldenen Strahlen auf dem Acker zu sehen, dessen Ertrag uns kaum über den Winter bringen würde, oder dem Haus, das zerfiel wie Arane selbst, weil niemand da war, um sich darum zu kümmern.
    Wütend schlug ich eine Hand gegen die Holzwand. So würde ich nicht enden!
    Erst Stunden später, als der Abend sich über das Land senkte, kroch ich vom Dach, das noch an zu vielen Stellen undicht war. Morgen würde ich zu einem der verlassenen Häuser gehen und dort Baumaterial stehlen. Es gab keine andere Möglichkeit.
    Missmutig riss ich einen schrumpeligen Apfel von dem krummen Baum, der sich an unseren Hühnerstall lehnte und biss hinein. Er schmeckte so madig, wie er aussah.
    Das Geräusch schlagender Flügel ließ mich herumfahren. Ich duckte mich gerade rechtzeitig, um der Elster auszuweichen. Vor Schreck ließ ich den Apfel fallen. Mein Herz schlug wie eine Kriegstrommel gegen meine Rippen und doch konnte ich mich nicht rühren.
    Der schwarzweiße Vogel war einige Meter hinter mir gelandet und pickte seelenruhig in der aufgewühlten Erde. Mit einem zuckenden Wurm im Schnabel hob die Elster den Kopf und starrte mich aus ihren schwarzen Augen an. Scheinbar unschlüssig hüpfte sie hin und her.
    Schickten die Lichtträger mir ein Zeichen? War ich verflucht oder würde ich bald meinem Tod begegnen? Sollte ich als Opfer der Dämonen enden, der Varuh? Ich machte einen Schritt zurück, doch der Gedanke zu fliehen fühlte sich so falsch an, dass ich an Ort und Stelle verharrte.
    Der Vogel starrte mich erwartungsvoll an.
    Ich schluckte, fand meine Stimme wieder. „Was ... was willst du von mir?“
    Die Elster öffnete den Schnabel zu einem heiseren Krächzen. Der Wurm plumpste zurück auf die
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