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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5
Autoren: Jilliane Hoffman
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    Erster Teil
    1
    D ie hübsche junge Frau in dem engen «COED»-T-Shirt lehnte sich rücklings über die Bar, sodass ihr kastanienbraunes Haar wie ein Fächer auf der weißen Kunstharztheke lag. Über ihr stand, in Vans-Turnschuhen riskant auf zwei Barhockern balancierend, ein Typ mit nacktem Oberkörper und dem eindrucksvollsten Waschbrettbauch, den Gabriella Vechio je gesehen hatte. Zwischen seinen Brustmuskeln klemmte ein Schnapsglas. Unter dem Jubel der Menge beugte er sich über die Studentin und goss ihr die bernsteinfarbene Flüssigkeit in den Mund. Southern Comfort spritzte ihr über Gesicht und T-Shirt, doch das störte das lachende Mädchen offensichtlich nicht. Und die johlende Menge erst recht nicht.
    «Hey, Mann! Seht euch an, was der Kerl draufhat!», rief der DJ, bevor er die Musik hochdrehte. «Mach den Mund auf, Baby! Zeig uns, wie viel da reingeht!»
    Gabby fuhr mit dem Finger über den gezuckerten Rand ihres Lemon-Drop-Martini und beobachtete die Szene am anderen Ende des Lokals. Es wurde immer voller, die Leute standen schon in dritter Reihe um die Bar, und der Indie-Rock von vorhin, als sie und ihre Freundinnen die Vorspeisen bestellt hatten, war längst dem dumpfen Puls der Top 40 gewichen. Beyoncé sang so laut, dass Messer und Gabeln, die noch auf dem Tisch lagen, klimperten und tanzten. Sogar die Kellnerin hatte gewechselt – ob es nun eine neue Blondine oder nur ein neues Outfit war, jedenfalls trug sie viel höhere Absätze und einen viel kürzeren Rock als das ausgelaugte Mädchen, das ihnen vor ein paar Stunden Quesadillas und Buffalo Wings gebracht hatte.
    «Wie lang willst du denn bleiben?», fragte Gabbys Freundin Hannah stirnrunzelnd, während sie aufstand und ihre Tasche packte. Sie blickte missbilligend zu dem Spektakel an der Bar.
    «Wie bitte?», gab Gabby zurück und zeigte auf ihr Ohr. Man konnte kaum noch ein Wort verstehen. Im Jezebels fing der Freitagabend mit der Happy Hour immer ganz ruhig an, aber sobald die Küche zumachte und es zu den Heinekens und Cosmos kein Essen mehr gab, wurde es rappelvoll. Nach neun verwandelte sich das Lokal schlicht in einen lärmenden Fleischmarkt. Weshalb Gabby eigentlich gar nicht gern herkam. Zwei Tage vor ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag gehörte sie bereits zum Gammelfleisch. Zumindest hier im Jezzie, wo man schon mit fünfundzwanzig Gefahr lief, von den anderen als Oma bezeichnet zu werden.
    «Ich habe gefragt, wie lange du noch bleibst», wiederholte Hannah. «Wir wollen dich hier nicht allein lassen. Nicht mit diesem Partyvolk …»
    Gabby zuckte die Schultern und prostete Hannah und Daisy zu, der anderen Freundin, die danebensaß und mit großen Augen den Muskelmann und die Studentin anstarrte. «Ich trinke das nur noch aus. Kümmert euch nicht um mich; ich hab genau gegenüber geparkt.»
    «Ich weiß nicht, wie’s euch geht, aber ich habe plötzlich einen Mordsdurst», verkündete Daisy, während auch sie langsam aufstand.
    «Ich würde echt gern bleiben, aber ich habe Brandon versprochen …» Hannah nahm zögernd ihre Laptoptasche über die Schulter.
    «Sei nicht albern. Ich wollte sowieso nicht mehr lange bleiben. Ich muss morgen tausend Sachen erledigen», log Gabby. «Geh ruhig nach Hause und amüsier dich mit Brandon, Hannah. Und denk dabei an mich», setzte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.
    «Wohl kaum. Heute Abend fällt das Amüsieren aus. Ich bin viel zu müde.»
    «Armer Brandon», sagte Gabby lachend. «Ihr seid noch nicht mal verheiratet, und er geht jetzt schon freitagabends leer aus.»
    «Bald ist ja Juli; und der Junge kann nicht behaupten, ich hätte ihn nicht gewarnt», erklärte Hannah. Dann sah sie sich unbehaglich im Lokal um. «Aber ich habe echt kein gutes Gefühl dabei, dich hier allein zu lassen, Gabby …»
    Daisy fing Gabbys Blick auf. «Vielleicht kommt er ja wieder», sagte sie mit einem frechen Grinsen und legte sich den fliederfarbenen Kaschmirschal um.
    Hannah lächelte, als hätte sie gerade einen schmutzigen Witz verstanden. Gabby spürte, dass sie rot wurde, und versteckte das Gesicht hinter dem Drink. Alle drei wussten, von wem Daisy sprach – dem witzigen, attraktiven MIT-Absolventen mit den roten Haaren, der letzten Freitag genau zur gleichen Zeit plötzlich an ihrem Tisch aufgetaucht war, kurz vor Ende der Happy Hour. Er hatte sie alle drei becirct, bevor der Rest seiner betrunkenen Clique ihn schließlich aufspürte und in die nächste Bar schleppte. Jeff, so
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