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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe
Autoren: Maya Trélov
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ich mich um. Eine Latte des zerfallenen Zaunes hinter mir würde genügen. Ich riss sie heraus, packte sie mit beiden Händen und schob sie durch einen größeren Riss am Boden der Scheune.
    Einer steifen Schlange gleich schob ich die Latte auf die Öllampe zu. Mein Arm zitterte von der Anstrengung, sie ruhig zu halten, doch ich biss die Zähne zusammen und schob sie weiter, Zentimeter für Zentimeter. Was passieren würde, wenn die Schläger mich erwischten, kam mir nicht in den Sinn. Es war egal. Alles, was zählte war, diesem Horrorspektakel ein Ende zu bereiten.
    Ich wünschte, ich hätte den Bogen meines Vaters, doch sie hatten ihn mir abgenommen, als seine Knochen noch nicht einmal abgekühlt waren. Ich wünschte, ich hätte ein Schwert. Es hätte Korrel einen schnelleren, saubereren Tod gewährt.
    Ich biss mir auf die Unterlippe, zögerte. Konnte ich wirklich ein Menschenleben auslöschen, um ihm diese Folter zu ersparen?
    Porka knöpfte gerade seine Hose zu und starrte auf den hilflos baumelnden Korrel hinab. Feuerschein flackerte über seine hässlichen Züge. Der Ausdruck, den ich darin sah, würde ich niemals vergessen können. Er ätzte sich in meine Seele wie ein endgültiges Siegel.
    Die Andeutung eines Lächelns zerrte an Porkas Lippen, harte mitleidslose Augen, die alles Licht aufzusaugen schienen, hockten wie lauernde Totenvögel in ihren Höhlen. Und dann warf er den Kopf zurück und lachte, dröhnend und laut, haltlos wie ein Betrunkener.
    Mir wurde eiskalt und übel zugleich. Porka wusste, was er tat, und er wusste, dass es falsch war, doch es störte ihn nicht. Im Gegenteil, es schien ihn zu freuen, ja, zu amüsieren, dass er ungestraft mit solcher Grausamkeit davonkam. In diesem Moment wurde er zu allem, was dieses Dorf zerstört hatte. In ihm hatten die Priester alles erreicht. Er musste brennen.
    Mit den schmerzverzerrten Schreien meines Vaters in den Ohren gab ich der Holzlatte einen letzten Stoß. Sie prallte gegen die Lampe und stieß sie um. Heißes Öl ergoss sich über den Boden, erreichte das Heu und setzte es lautlos in Brand.
    Porka und Ogim bemerkten nichts davon, so sehr waren sie in ihr schauriges Spiel vertieft.
    Die ersten Flammen leckten bereits hungrig an der Scheunenwand empor. Ich erhob mich auf zittrigen Knien und floh durch die Nacht. Hinter mir gellten die ersten Schreie. Meine Schritte wurden langsamer, ich drehte mich um und zwang mich anzusehen, was ich getan hatte.
    Heiße Tränen schossen mir in die Augen und verwischten die Sicht auf das Feuer. Die Scheune war von mehreren Gebäuden verdeckt, doch der Nebel und die Wolken reflektierten den orangenen Schein der Flammen. Ein Scheiterhaufen. Ich hatte einen Scheiterhaufen angesteckt.
    Ich hastete durch die Nacht, rannte quer durchs Dorf, über den Platz vor der Kirche und zwischen den faulen Zähnen des Riesen hindurch, bis ich zu unserem Haus kam. Ich schlüpfte durch die Tür, lehnte mich dagegen und horchte mit klopfendem Herzen. Am liebsten wäre ich zu Boden gesunken und hätte geschrien, bis meine Kehle zu rau und schmerzhaft für Schreie wurde, doch ich zwang mich dazu, stillzustehen und zu atmen.
    Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich mich beruhigte und einen klaren Gedanken fassen konnte. Es war furchtbar, doch ich konnte nicht anders, als eine grimmige Zufriedenheit zu empfinden. War ich grausam? War ich wie die Priester oder gar schlimmer als sie?
    „Mutter?“
    Niemand antwortete. Es war ungewöhnlich, dass sie fort war, doch in diesem Moment war es mir nur recht. Mit langen Schritten erklomm ich die Stufen zu meinem Zimmer, schlug die Tür hinter mir zu, lief zum Fenster und riss es auf.
    Der Wald. Er lag vor mir, schweigend und leer. Ich schloss die Augen und sog die kühle Nachtluft in meine Lungen. Schattenfinger tasteten über meine Stirn und meinen Hals, doch als ich die Augen wieder aufschlug, war da nichts außer dem Wald und der Stille.
    Eisiger Wind kam auf und wehte die Vorhänge vor mein Gesicht. Ich schnappte sie in festem Griff und schob sie zur Seite. Endlich. Dort, hinter den zackigen Tannenwipfeln, schwebte der Mond in den Nachthimmel. Sein kühles Licht fiel ins Fenster. Es war wie Balsam auf meiner Haut.
    Doch dann sah ich die Flecken auf meinen Vorhängen. Sie waren von Blut besudelt. Einen Moment schwebte ich nahe der Panik, doch dann fiel mein Blick auf meine Hand. Vier kleine, rote Halbmonde zierten meine Handfläche dort, wo ich die Fingernägel in mein eigenes Fleisch
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