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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe
Autoren: Maya Trélov
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Erde. Dann flog die Elster auf in Richtung des Waldes und verschwand im Dunkel der Tannen.
    Ich sah ihr mit klopfendem Herzen nach, wartete still und reglos, bis das Schlagen gegen meine Rippen ruhiger wurde und endlich, endlich kroch die Wut in mir hoch. Ich schnappte mir einen Klumpen Erde und schleuderte ihn mit einem Schrei von mir. Dann noch einen und noch einen.
    Ich war es leid vor den Priestern und ihren Worten zu zittern. Vor allem zu fliehen, nur weil sie sagten, dass es schlecht und verdorben war, obwohl sie es doch waren, denen Fäulnis und Verrat anhafteten wie eine schuppige Schlangenhaut.
    „Nie wieder“, schwor ich und stapfte los.
    Wenn mich jemand sah, sollte er denken, was er wollte. Nach der Messe am Morgen hatte ich das dringende Bedürfnis, in Schwierigkeiten zu geraten, nur, um mich prügeln zu können.
    Ich rannte bis an den Waldrand, den Rufen der Elster hinterher. Schwer atmend blieb ich stehen. Die heraufziehende Nacht fühlte sich in Nähe der Tannen noch viel unmittelbarer an. Von einer plötzlichen Neugierde gepackt spähte ich zwischen den dichten Tannenzweigen hindurch. Weißbefleckte Fliegenpilze bildeten farbige Tupfer im feinen Gras. Moos bedeckte den feuchten Waldboden unter den Tannen, weiches, tiefgrünes Moos. Ich wünschte, die Elster würde mich direkt in das Herz des Waldes führen, doch stattdessen machte sie einen Bogen und flog um das Dorf herum.
    Ich konnte ihre rauen Schreie durch den Nebel hören. Er sickerte aus den Wolken, verdichtete sich, bis er alles einhüllte und auf meiner Haut kitzelte wie winzige Wasserküsse. Vor mir tauchten Lichter aus dem Dunst auf, eingerahmt von Fenstern, vor denen ausgefransten Gardinen baumelten. Sie verschwanden wieder und dann war da nur noch die alte Heuscheune, aus deren Mund schwacher Feuerschein leckte.
    Meine Bewegungen gefroren. Auf einem Pfosten hinter der Scheune hockte die Elster und krächzte laut, dann drehte sie mir den Rücken zu, schwang sich in die Lüfte und flog über das Dach der Scheune davon.
    Ich fluchte, entfernte mich einen Schritt von der Scheune, fluchte erneut und drehte mich wieder um. Was tat ich hier nur? Ich wusste doch, was sich hinter diesen morschen Brettern verbarg, und ich wusste auch, dass ich es nicht sehen wollte.
    Aber nun war es zu spät, um noch umzukehren.
    Vorsichtig schlich ich um das windschiefe Gebäude herum, bis ich an der hinteren Wand ein Loch fand, vor dem ich mich in den Schlamm kauerte. Ich beugte mich vor und spähte hindurch. Eigentlich hatte ich geglaubt zu wissen, was mich erwartete. Doch der Anblick, der sich mir bot, traf mich mit der Wucht eines Faustschlages in die Magengrube.
    Korrel baumelte an einem Seil von der Decke, mit dem Kopf nach unten. Sein Gesicht war rot und geschwollen von Schlägen und Messerstichen. Ebenso misshandelt war sein Körper. Die Lumpen verdeckten sein mageres Skelett kaum mehr. Blut lief an ihm herunter und sammelte sich in roten Pfützen auf dem schmutzigen Boden unter seinem Kopf.
    Zwei Männer standen vor ihm und stierten auf seine reglose Gestalt, als handele es sich dabei um das widerwertigste Stück Fleisch, das sie je erblickt hatten. Ich erkannte die Schläger sofort.
    Porka trat nach Korrels geschundenem Körper. „Hat sie dir ihre Brüste gezeigt, die Mondhure?“
    „Ja“, kläffte Ogim hinter ihm, „hat sie ihre Beine für dich gespreizt?“ Er lachte hämisch und Porka fiel mit ein.
    Ich fiel rücklings in den Schlamm, eine Hand auf den Mund gepresst, und starrte die Scheunenwand an, als hätte sie sich vor meinen Augen in ein kreischendes Monster verwandelt. Hatten sie meinen Vater auch derart gequält und gedemütigt, bevor sie ihn den Flammen überlassen hatten?
    Das raue Lachen der Schläger drang durch die Bretter.
    Langsam beugte ich mich wieder vor, das Rauschen meines Blutes tosend laut wie ein Sturzbach in meinen Ohren.
    Die Schläger sprangen um Korrel herum und machten vulgäre Gesten. Porka öffnete seine Hose und pisste auf Korrels zugeschwollenes Gesicht. Ein blubberndes Stöhnen entrang sich der Kehle des Alten, ansonsten blieb er still.
    Ich krallte meine Fingernägel ins morsche Holz der Scheune, um mich vom Schreien abzuhalten. Was sollte ich tun? Warum hatte die Elster mich hierher geführt? Was konnte ich tun?
    Mein Blick fiel auf eine der Öllampen, die die Schläger mit sich gebracht hatten. Sie stand in halber Entfernung zwischen mir und dem Heuhaufen, der die hintere Hälfte der Scheune füllte. Hastig sah
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