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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe
Autoren: Maya Trélov
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später brauchen, um die Kleider anderer Leute zu waschen und zu flicken.
    Ächzend hob ich den Eimer an und stellte ihn an die Seite. Dann schöpfte ich Wasser in die hohlen Hände und führte sie zum Mund, um zu trinken. Mein Blick schweifte wie von selbst zum Waldrand.
    Ich hustete, taumelte einen Schritt zurück. Wasser rann mir übers Kinn und in den Kragen, doch ich spürte es kaum.
    Dort stand ein Mann. Zwischen den Tannen. Halb verhüllt von den Schatten des Waldes. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen und doch wusste ich, dass er mich ansah. Ich konnte seinen Blick auf der Haut spüren. Es löste ein Gefühl in mir aus, als würden eiskalte Finger liebkosend über meinen Nacken fahren.
    Ich atmete zitternd ein, blinzelte – und der Mann war verschwunden.
    Fassungslos machte ich einen Schritt auf den Waldrand zu.
    „Cara!“
    Der Ruf schrillte durch die Morgennebel. Erschrocken wirbelte ich herum.
    Hinter mir stand Arane, meine Mutter.
    „Wag es nicht“, schimpfte sie mit hochrotem Kopf. „Bleib weg von den Bäumen. Du weißt, es ist verboten in den Wald zu gehen.“
    Verdattert schaute ich von ihr zum Waldrand und wieder zurück zu ihr. Ich hatte nie ernstlich vorgehabt, zu den Tannen zu gehen.
    „Dort lauern die Feinde des Lichts“, rezitierte Arane mit schriller Stimme. „Ihre Klauen reißen dir die Seele aus dem Leib.“
    Ich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Aller Zauber des Morgens war verschwunden. Sie hatte ihn mit ihrem ängstlichen Kreischen verscheucht.
    „Du redest schon wie die Priester, Mutter. Stört dich das überhaupt nicht?“
    Aranes Gesicht wurde kalkweiß. Ein gehetzter Ausdruck trat in ihre Augen. Sie sah sich erschrocken nach allen Seiten um, als erwarte sie, einen der weißen Priester hinter dem Schuppen lauern zu sehen.
    „Sprich es nicht aus“, zischte sie. „Deine ketzerischen Worte bringen uns noch auf den Scheiterhaufen.“
    Unter ihrem feindseligen Blick ballte ich unwillkürlich die Hände zu Fäusten. „Vielleicht“, murmelte ich gepresst, „wären wir dann besser dran. Wiedervereint als Familie.“
    Die Augen meiner Mutter wurden groß. „Was sagst du da?“
    Ich seufzte und blickte zur Seite. Es hatte keinen Sinn sich zu streiten. Wenn ich Arane zusetzte, kämpfte ich bloß an den falschen Fronten. „Nichts“, seufzte ich ergeben, „gar nichts. Lass uns einfach zur Messe gehen.“
    Doch als ich an ihr vorbeigehen wollte, trat Arane mir in den Weg. „Nicht so“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Binde bitte dein Haar zurück, Cara. Du erregst Aufsehen.“
    Ich begegnete ihrem Blick mit kalter Entschlossenheit. In diesem Moment war ich froh, Vaters Größe geerbt zu haben, so dass es Arane war, die den Kopf heben musste. Scheinbar gleichgültig zuckte ich mit den Schultern. Dieses Zugeständnis würde ich niemals machen.
    „Ich habe kein Band“, sagte ich leichthin und lief weiter.
    Überraschend flink packte Arane meinen Arm und zog mich grob zurück. Ich unterdrückte einen Schmerzenslaut. In der ausgemergelten Gestalt meiner Mutter steckte mehr Kraft, als ich geahnt hatte.
    „Du bringst mir Schande, Tochter.“
    Wütend riss ich mich los. „Es stört dich nur, weil sie dich an ihn erinnern! Habe ich Recht?“ Entsetzen blutete über das Gesicht meiner Mutter, doch ich kannte kein Erbarmen mehr. „Das ganze Dorf soll sich daran erinnern, was sie ihm angetan haben! Sie alle sollen sehen, zu welch grausigen Taten sie fähig sind. Ich war erst sieben Winter alt und ich weiß noch ganz genau, wie er gebrannt hat. Seine Schreie verfolgen mich in meinen Träumen und manchmal rieche ich noch immer die verbrannte Haut, wenn –.“
    Schwer atmend brach ich ab, drehte mich hastig zur Seite und presste eine Hand über den Mund. Tränen stiegen mir in die Augen und nahmen mir für einen Moment die Sicht. Langsam atmete ich ein und aus. Als sich mein Magen endlich beruhigt hatte, drehte ich mich wieder zu meiner Mutter um. Meine Worte taten mir bereits leid.
    „Ich vermisse ihn“, flüsterte ich heiser. „Und ich verstehe nicht, wie du jemals vergessen kannst, was die Priester getan haben.“ Vorsichtig trat ich einen Schritt auf sie zu und streckte meine Hand nach ihrer aus. „Bitte, Mutter, du musst doch auch …“
    Aranes Gesicht war zu einer Maske aus Stein erstarrt. Ihre Augen schienen wie zwei leere Spiegel und die Worte kamen wie scharf geschnittenes Eis aus ihrem Mund. „Binde. Dein. Haar. Zurück.“
    Ich presste die Kiefer aufeinander,
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