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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten
Autoren: Brent Weeks
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    »Wir haben einen Auftrag für dich«, sagte Momma K. Wie immer saß sie da wie eine Königin, den Rücken durchgedrückt, das prächtige Kleid von perfektem Sitz, das Haar tadellos frisiert, wenn auch grau an den Wurzeln. An diesem Morgen hatte sie dunkle Ringe unter den Augen. Kylar vermutete, dass keiner der überlebenden Anführer der Sa’kagé seit der khalidorischen Invasion viel geschlafen hatte.
    »Euch auch einen guten Morgen«, erwiderte Kylar, während er sich in dem Ohrensessel im Arbeitszimmer niederließ.
    Momma K wandte sich ihm nicht zu, sondern blickte aus dem Fenster. Der Regen der vergangenen Nacht hatte den größten Teil der Brände in der Stadt gelöscht, aber viele schwelten noch immer und tauchten die Stadt mit ihrer Glut in eine blutrote Morgendämmerung. Das Wasser des Plith, der den reichen, östlichen Teil der Stadt Cenaria vom Labyrinth trennte, war rot wie Blut. Kylar war sich nicht sicher, ob das nur an der von Rauch verhüllten Sonne lag. In der Woche seit dem Staatsstreich und der Invasion hatten die Khalidori Tausende von Menschen massakriert.

    Momma K sagte: »Die Sache hat einen Haken. Das Opfer weiß Bescheid.«
    »Woher?« Die Sa’kagé waren im Allgemeinen nicht so schlampig.
    »Wir haben es ihm gesagt.«
    Kylar rieb sich die Schläfen. Die Sa’kagé würden ein Opfer nur deshalb einweihen, damit sie nicht kompromittiert wurden, sollte der Anschlag scheitern. Das bedeutete, dass es sich bei dem Opfer nur um einen Mann handeln konnte: Cenarias Eroberer, Khalidors Gottkönig, Garoth Ursuul.
    »Ich bin nur gekommen, um mein Geld zu holen«, erklärte Kylar. »Alle sicheren Häuser Durzos - all meine sicheren Häuser sind niedergebrannt. Ich brauche nur genug, um die Torwachen zu bestechen.« Er hatte ihr seit seiner Kindheit einen Teil seiner Löhne gegeben, damit sie das Geld investierte. Sie sollte reichlich haben für einige Bestechungen.
    Momma K blätterte schweigend die Blätter Reispapier auf ihrem Schreibtisch durch und reichte Kylar eins davon. Zuerst machten ihn die Zahlen sprachlos. Er war an dem illegalen Import von Gras und einem halben Dutzend anderer süchtig machender Pflanzen beteiligt, hielt Anteile an einer Brauerei und mehreren Geschäften, besaß ein Rennpferd und Importwaren wie Seide und Edelsteine, die gesetzlich erlaubt waren, wenn man von der Tatsache absah, dass die Sa’kagé zwanzig Prozent für Bestechungen bezahlten, statt fünfzig Prozent Zollgebühren. Die schiere Menge an Informationen auf der Seite war sinnverwirrend. Bei der Hälfte der Einträge wusste er nicht, was sie bedeuteten.
    »Ich besitze ein Haus?«, fragte Kylar.
    »Du hast eins besessen«, antwortete Momma K. »In dieser Spalte ist vermerkt, wenn etwas bei den Bränden oder
Plünderungen verloren gegangen ist.« Das Zeichen stand bei allen Eintragungen, nur nicht bei jenen Expeditionen, die unterwegs waren, um Seide beziehungsweise Gras ins Land zu bringen. Beinahe alles, was er besessen hatte, war verloren gegangen. »Es wird Monate dauern, bis eine der beiden Expeditionen zurückkehrt, falls sie überhaupt zurückkehren. Wenn der Gottkönig weiter zivile Schiffe beschlagnahmt, werden sie gewiss nicht zurückkommen. Natürlich, wenn er tot wäre …«
    Er konnte erkennen, worauf das hinauslief. »Hier steht, dass mein Anteil immer noch zehn- bis fünfzehntausend wert ist. Ich werde ihn Euch für tausend verkaufen. Das ist alles, was ich brauche.«
    Sie beachtete ihn nicht. »Sie brauchen einen dritten Blutjungen, um sicherzustellen, dass es funktioniert. Fünfzigtausend Gunder für einen Mord, Kylar. Mit so viel Geld könntest du Elene und Uly überallhin bringen. Du hättest der Welt einen Dienst erwiesen, und du würdest nie wieder arbeiten müssen. Es ist nur ein letzter Auftrag.«
    Er schwankte bloß einen Moment lang. »Es gibt immer einen letzten Auftrag. Ich bin fertig.«
    »Es liegt an Elene, nicht wahr?«, fragte Momma K.
    »Momma K, denkt Ihr, ein Mensch kann sich ändern?«
    Sie sah ihn mit einer tiefen Traurigkeit an. »Nein. Und am Ende wird er jeden hassen, der das von ihm verlangt.«
    Kylar stand auf und trat durch die Tür. Im Flur begegnete er Jarl. Jarl grinste, wie er es getan hatte, als sie auf den Straßen aufgewachsen waren und er nichts Gutes im Schilde geführt hatte. Jarl trug ein Gewand, das wohl der neuesten Mode entsprach, eine lange Jacke mit übertrieben breiten Schultern, gepaart mit einer schmal geschnittenen Hose, die in hohen Stiefeln steckte.
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