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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball
Autoren: Stefan Holtkötter
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der
Elternzeit wiederkommst.« Da sie zögerte, schob er hinterher: »Du kommst danach
doch wieder, oder?«
    »Ich … also, ich habe gründlich darüber nachgedacht.« Sie seufzte.
»Hambrock, ich werde einen Versetzungsantrag stellen, um ins Kommissariat
Vorbeugung zu wechseln, mit einer halben Stelle.«
    »Zu den Beratungsstellen?« Hambrock lachte auf. »Du arbeitest bei
der Mordkommission. So etwas hängt man doch nicht einfach an den Nagel. Da
lässt sich bestimmt etwas drehen, lass mich das nur machen. Das kriegen wir
schon hin.«
    Doch ihr Entschluss stand fest. Es ging gar nicht darum, alles unter
einen Hut zu bringen.
    »Mein Gott, Heike. Willst du etwa Infoveranstaltungen in Schulen
abhalten? Oder in Seniorengruppen zum Thema Einbruchsprävention?«
    »Ich …« Der Blick, den sie mit Martin wechselte, brachte viel zum
Ausdruck: lange Diskussionen, spätabends, wenn die Kinder im Bett waren, viel
zu vertraute Streitereien, die immer wieder aufflammten, und gegenseitige
Beschuldigungen, die keiner mehr ertragen konnte. Und schließlich eine
Entscheidung, die getroffen werden musste.
    »Der Job ist zu gefährlich«, stellte sie fest. »Ich habe zwei kleine
Kinder, und jetzt bin ich schon wieder schwanger. Da trage ich Verantwortung.
Ich muss einer Arbeit nachgehen, bei der meine Familie sicher sein kann, dass
mir nichts passiert.«
    »Aber was soll denn passieren? Wir arbeiten doch nicht in der Bronx.
Ich meine …«
    »Es ist entschieden. Tut mir leid, ich wollte es dir wirklich nicht
heute Abend sagen.«
    Hambrock verspürte einen Stich, aber das wollte er sich nicht
anmerken lassen. Er nickte bedächtig.
    »Also gut«, sagte er. »Dann ist es so.«
    Sie lächelte gequält. »Jetzt hab ich wohl unseren Abend versaut.«
    »Wie lange willst du denn noch bleiben? Gilt der Entschluss ab
sofort, oder wartest du bis nach der Geburt?«
    »Ich habe mir gedacht …«
    Weiter kam sie nicht. Hambrocks Handy klingelte. Er warf einen Blick
auf das Display und lächelte bitter: Es war die Einsatzleitung. Die hatten
wahrlich ein Gespür für Timing. Er blickte auf und sagte: »Arbeit.« Dann nahm
er das Gespräch entgegen.
    Die Kongresshalle bot bei Nacht ein völlig verändertes Bild.
Lichtsäulen ließen die Front erstrahlen, da waren leuchtende Springbrunnen und
überall spiegelndes Glas. Keine Spur von dem grauen Industriegelände, das
tagsüber das Bild prägte. Parkplätze, Produktionshallen, Speditionsgebäude, das
alles wurde von der Dunkelheit geschluckt, und übrig blieb nur das Lichtspiel
vor der Halle, das Schönheit und Prunk vorgaukelte.
    Vor dem Haupteingang standen Streifenwagen, der Widerschein ihrer
Blaulichter huschte lautlos über das regennasse Pflaster. Absperrbänder waren
angebracht, die Spurensicherung und der Notarztwagen schon vor Ort. Eben der
ganze fahrende Zirkus, der überall dort seine Zelte aufschlug, wo ein Mensch
gewaltsam ums Leben gekommen war.
    Heike steuerte ihren Wagen auf den Vorplatz und stellte den Motor
ab. Hambrock war froh, der Enge des Autos zu entkommen. Während der Fahrt
hatten sie kaum ein Wort gesprochen, zu viel hing ungesagt in der Luft. Laut
Vorschrift hätte er sie gar nicht mitnehmen dürfen. Er war immer noch ihr
Vorgesetzter, und mit Kenntnis ihrer Schwangerschaft hätte er sie erst einmal
vom Dienst befreien müssen, so lange, bis der Polizeiärztliche Dienst Stellung
genommen hätte. Aber sie hatte darauf bestanden mitzukommen, und er war
schließlich einverstanden gewesen.
    Eine Streifenpolizistin empfing sie auf dem Vorplatz. Es war eine
junge schlanke Frau – eine dieser typischen Tussis, dachte Hambrock, die im
mittleren Dienst überall zu finden waren. Geschminkt bis zum Gehtnichtmehr und
die blonden Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Er hatte nie verstanden, was
solche Frauen dazu bewog, zur Polizei zu gehen. Sie mussten doch wissen, dass
es hauptsächlich um Kneipenschlägereien und häusliche Gewalt ging. Darum, sich
durchzusetzen und nicht klein beizugeben.
    »Herr Hambrock?«, fragte sie mit erwartet piepsiger Stimme. Er
nickte. »Kommen Sie mit, ich bringe Sie zum Fundort.«
    Sie führte Heike und ihn ins hell erleuchtete Foyer, einen riesigen
Bereich, der sich über zwei Ebenen erstreckte. Alles in hellen Farben gehalten,
perfekt für einen Sektempfang. Der Tote lag im Zentrum des Foyers unterhalb
einer Empore. Als wäre ihm im Sterben klar geworden, dass er hier bald die
Hauptattraktion sein würde und sich deshalb auch entsprechend zu
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