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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball
Autoren: Stefan Holtkötter
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einziges Mal ihr Haus betreten.
    Die Tür flog auf, und Heike stand mit einem strahlenden Lächeln vor
ihm. Sie trug weite Hosen und eine enge rote Bluse, die gerade weit genug
aufgeknöpft war, um ihr Dekolleté erahnen zu lassen.
    »Gehst du später noch auf eine Beerdigung?«, fragte sie mit Blick
auf seinen dunklen Anzug.
    Diese Begrüßung vertrieb seine Unsicherheit.
    »Auf deine, wenn du noch mehr von solchen Sprüchen auf Lager hast.«
Er drückte ihr die Blumen in die Hand. »Bin ich zu spät?«
    Sie ließ ihn hinein. »Eher zu früh, Martin steht noch am Herd.«
    »Martin kocht?«
    »Sei froh, dass er das macht, sonst wäre das Essen ungenießbar. Du
kennst doch meine Kochkünste.«
    »Ehrlich gesagt nein. Aber ich war schon gespannt darauf.«
    Martin, ihr Ehemann, erschien hinter ihr im Flur. Er trocknete sich
die Hände an der Schürze und kam Hambrock entgegen. »Bernhard! Schön, dass du
kommen konntest.«
    Heike ging ins Obergeschoss, um nach den Kindern zu sehen, während
Hambrock Martin in die Küche folgte. Es war ein großer und freundlicher Raum
mit dunklem Parkett und Holzmöbeln. Ein cremefarben eingedeckter Tisch mit
Kerzenständern, Weingläsern und indirekter Beleuchtung. Alles strahlte Wärme
und Behaglichkeit aus. Ein richtiges Zuhause eben.
    Heike hatte ihn eingeladen, damit er nicht allein in seiner Wohnung
herumhockte und sich am Ende noch einsam fühlte. Seine Frau Erlend war seit
einer Woche bei ihren Eltern in den Niederlanden. Ihre Mutter lag nach einem
Sturz mit einem komplizierten Beinbruch im Krankenhaus, und weil ihr Vater sich
allein nicht einmal ein Spiegelei zubereiten konnte, war sie kurzerhand nach
Groningen gefahren.
    Anfangs hatten ihm seine Freiheiten gefallen. Ein bisschen Abstand
war nicht schlecht gewesen. Das Gefühl, ungebunden zu sein und auf keinen
Rücksicht nehmen zu müssen. Als wäre er wieder zwanzig. Einfach sein eigenes
Ding durchziehen. Doch lange hatte dieses gute Gefühl nicht angehalten. Immer
häufiger landete er abends nach der Arbeit in seiner Kneipe, so wie früher, nur
dass er nicht mit Kumpeln einen draufmachte, sondern allein am Tresen hockte
und in sein Bier starrte. Hauptsache, nicht zu Hause sein und die menschenleere
Wohnung ertragen müssen.
    Heike trat in die Küche und schloss mit einem Seufzer die Tür. »So,
die Kinder schlafen. Und ich sterbe langsam vor Hunger.«
    Hambrock begann, Wein einzuschenken. Er beobachtete Heike und
Martin, wie sie die Töpfe vom Herd nahmen. Es war schon seltsam: Im Präsidium
war Heike seine Arbeitskollegin, sonst nichts. Hier aber verwandelte sie sich
in eine Frau. Sie wirkte auf eine unvermutete Art weiblich, und er erwischte
sich dabei, wie er seinen Blick auf ihrem Körper ruhen ließ, was er zuvor noch
nie getan hatte. Alles verschob sich und bekam andere Konturen. Als hätte er
die ganze Zeit im 3-D-Kino gesessen und erst jetzt die Brille aufgesetzt.
    »Keinen Wein für mich«, rief Heike, als er mit der Flasche auf ihr
Glas zusteuerte. »Ich bleibe lieber nüchtern. Schließlich haben wir
Bereitschaft, vergiss das nicht.«
    »Ein Gläschen kann doch nicht schaden?« Er runzelte die Stirn. Sonst
war ihr so etwas immer egal.
    »Lieber nicht.«
    Sie setzten sich. Hambrock war erstaunt, wie gut das Essen
schmeckte. Vor allem aber wunderte er sich, dass sie es tatsächlich schafften,
während des Essens nicht ein einziges Mal über die Arbeit zu reden. Es gab also
doch genügend anderes, das sie miteinander verband.
    Nach dem Essen stand Heike auf und begann die Teller
zusammenzustellen. Als sie einen schweren Topf nehmen wollte, sprang Martin auf
und nahm ihn ihr ab.
    »Lass mich das doch tragen«, ermahnte er sie. »Das ist zu schwer für
dich.«
    Heike warf ihm einen warnenden Blick zu, doch da war es schon zu
spät. Hambrock begriff sofort, was los war.
    »Du bist schwanger«, stellte er fest.
    Heike setzte sich. Martin blickte schuldbewusst zu Boden und zupfte
an seiner Serviette herum.
    »Eigentlich solltest du das nicht heute erfahren«, sagte sie. »Ich
wollte, dass wir uns einen schönen Abend machen, mehr nicht.«
    »Aber ein Kind ist doch etwas Gutes, oder?«, erwiderte er. »Das
sollten wir feiern.« Doch er ahnte schon, dass es hier um mehr ging als nur um
eine Schwangerschaft.
    »Was bedeutet das für die Arbeit?«, fragte er dann. »Der
Polizeiärztliche Dienst wird darauf bestehen, dass du ab jetzt im Präsidium
bleibst. Außeneinsätze sind fürs Erste passé. Zumindest, bis du aus
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