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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade
Autoren: Donna Leon
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zu ihm gekommen, und Ravanello sei es auch gewesen, der Malfatti mit ins Spiel gebracht habe. Überhaupt sei alles von Ravanello: der ursprüngliche Plan, daß sie den ehrenwerten Mascari loswerden mußten, und der Versuch, Brunettis Wagen in die laguna abzudrängen. Das alles sei von Ravanello gekommen, alles die Folge seiner krankhaften Habgier.
    Und Santomauro? Er stellte sich als schwachen Menschen hin, einen Mann, der zum Gefangenen der teuflischen Pläne eines anderen wurde, weil der Banker die Macht hatte, seinen Ruf zu ruinieren, seine Familie, sein Leben. Er beteuerte, an der Ermordung Mascaris nicht beteiligt gewesen zu sein, nicht gewußt zu haben, was in jener verhängnisvollen Nacht in Crespos Wohnung geschehen sollte. Als ihm die Schuhe vorgehalten wurden, behauptete er zuerst, er habe sie für den Carnevale gekauft, aber als ihm gesagt wurde, man habe sie als die Schuhe identifiziert, die man bei Mascaris Leiche gefunden hatte, erklärte er, sie gekauft zu haben, weil Ravanello es befohlen habe, nicht wissend, wozu sie gedacht waren.
    Ja, er hatte einen Anteil der Mieteinnahmen von den Wohnungen der Lega genommen, aber er hatte das Geld nicht gewollt; er wollte nur seinen guten Namen schützen. Ja, er war in Crespos Wohnung gewesen, in der Nacht, als Mascari umgebracht wurde, aber Malfatti hatte ihn getötet, und er und Ravanello hatten nicht anders gekonnt, als beim Wegschaffen der Leiche mitzuhelfen. Der Plan? Ravanellos. Malfattis. Und zu dem Mord an Crespo konnte er gar nichts sagen und beteuerte, der Mörder müsse ein gefährlicher Freier gewesen sein, den Crespo mit in die Wohnung genommen habe.
    Er malte unfehlbar das Bild eines Mannes, der wie viele andere war, von seinen Gelüsten verführt, dann beherrscht von Angst. Wer konnte einem solchen Mann schon ein gewisses Mitgefühl oder Mitleid versagen?
    Und so ging es zwei Stunden lang: Santomauro blieb dabei, unwissentlich an den Verbrechen beteiligt gewesen zu sein, und beteuerte, sein einziges Motiv sei die Sorge um seine Familie gewesen und der Wunsch, ihr die Scham und Schande seines Doppellebens zu ersparen. Je länger Brunetti zuhörte, desto mehr schien ihm Santomauro von der Wahrheit seiner eigenen Worte überzeugt zu sein. Daraufhin brach Brunetti das Verhör ab, angewidert von dem Mann und seinem Gehabe.
    Noch am selben Abend war Santomauros Anwalt bei ihm, und am nächsten Morgen wurde er auf freien Fuß gesetzt, allerdings blieb Malfatti, der ja einen Mord gestanden hatte, in Haft. Noch am selben Tag trat Santomauro als Präsident der Lega della Moralità zurück, und die anderen Vorstandsmitglieder forderten eine gründliche Untersuchung seiner Organisationsfehler und seines Fehlverhaltens. So war das also in gewissen Kreisen der Gesellschaft, dachte Brunetti bei sich: Kinderschändung war Fehlverhalten, Morde waren Organisationsfehler.
    Am Nachmittag ging Brunetti zur Via Garibaldi und drückte auf die Klingel zu Mascaris Wohnung. Die Witwe fragte, wer da sei, und er nannte Namen und Dienstgrad.
    In der Wohnung war alles unverändert. Die Läden hielten noch immer die Sonne ab, auch wenn sie die Hitze drinnen einzuschließen schienen. Signora Mascari war dünner. Sie wirkte abwesender.
    »Es ist sehr freundlich, daß Sie mich empfangen, Signora«, begann Brunetti, als sie sich gegenüberstanden. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, daß jeder Verdacht von Ihrem Mann genommen ist. Er hatte nichts zu tun mit irgendwelchen Unredlichkeiten; er war das schuldlose Opfer eines gemeinen Verbrechens.«
    »Das wußte ich, Commissario. Ich wußte es von Anfang an.«
    »Es tut mir leid, daß auch nur für eine Minute ein Verdacht auf Ihren Mann fallen mußte.«
    »Es war nicht Ihr Fehler, Commissario. Und ich hatte keinerlei Verdacht.«
    »Ich bedaure es trotzdem. Aber die Männer, die seinen Tod verschuldet haben, sind gefaßt.«
    »Ja, ich weiß. Ich habe es in den Zeitungen gelesen«, sagte sie, besann sich kurz und meinte dann: »Ich glaube nicht, daß es etwas ändert.«
    »Sie werden bestraft, Signora. Das kann ich Ihnen versprechen.«
    »Das hilft leider niemandem. Weder mir noch Leonardo.« Als Brunetti Einspruch erheben wollte, schnitt sie ihm das Wort ab und sagte: »Commissario, die Zeitungen können noch so viel darüber berichten, wie es wirklich war, die Leute werden von Leonardo doch nur das im Gedächtnis behalten, was nach der Entdeckung seiner Leiche veröffentlicht wurde, nämlich daß er Frauenkleider trug und vermutlich
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