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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade
Autoren: Donna Leon
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sicher denken«, meinte Patta, zu Brunettis neuerlichem Erstaunen. »Daß es nur ein Versuch von Malfatti ist, die Schuld aufzuteilen und seinen Teil möglichst klein zu halten. Daß eine genaue Prüfung der Unterlagen bei der Bank beweisen wird, daß alles Ravanellos Tun war. Daß es keinerlei Beweise für Santomauros Beteiligung an dem allen gibt, weder an der Sache mit den doppelten Mieten, noch dem Tod von Mascari.«
    »Hat er etwas von den anderen Morden erwähnt?«
    »Crespo?«
    »Ja, und Maria Nardi.«
    »Nein, kein Wort. Und es gibt nichts, was ihn mit Ravanellos Tod in Verbindung bringt.«
    »Wir haben eine Zeugin, die gesehen hat, wie Malfatti die Treppe in Ravanellos Haus hinuntergelaufen ist.«
    »Aha«, sagte Patta, stellte die Beine wieder nebeneinander und beugte sich vor. Er legte seine rechte Hand auf Malfattis Geständnis. »Es ist nichts wert«, sagte er endlich, wie Brunetti vorausgeahnt hatte. »Er kann versuchen, es bei seinem Prozeß vorzubringen, aber ich bezweifle, daß die Richter ihm glauben werden. Er täte besser daran, sich als Ravanellos unwissendes Werkzeug darzustellen.«
    Ja, das stimmte wahrscheinlich. Den Richter gab es nicht, der Malfatti als Drahtzieher des Ganzen sehen würde. Und den Richter, der Santomauro irgendeine Rolle in diesem Drama zutrauen würde, konnte man sich nicht einmal vorstellen.
    »Heißt das, Sie werden in der Sache nichts unternehmen?« fragte Brunetti, indem er mit dem Kinn zu den Papieren auf Pattas Schreibtisch deutete.
    »Falls Ihnen dazu nicht noch etwas einfällt«, antwortete Patta, und Brunetti versuchte vergeblich, einen ironischen Unterton herauszuhören.
    »Nein, mir fällt nichts ein«, sagte Brunetti.
    »Wir können ihm nichts anhaben«, erklärte Patta. »Ich kenne den Mann. Er ist zu vorsichtig, um sich denen, die mit in die Sache verwickelt sind, je gezeigt zu haben.«
    »Nicht einmal den Jungen von der Via Cappuccina?«
    Patta verzog angewidert den Mund. »Seine Beziehung zu diesen Kreaturen ist lediglich ein Indiz. Kein Richter würde sich das überhaupt anhören. So abstoßend sein Verhalten auch sein mag, es ist seine Privatsache.«
    Brunetti überlegte schon, wie es weitergehen könnte: Wenn sie genügend Prostituierte fänden, die Wohnungen von der Lega gemietet hatten und bereit waren auszusagen, daß Santomauro ihre Dienste in Anspruch genommen hatte. Oder wenn er den Mann finden könnte, der ihm in Crespos Wohnung die Tür aufgemacht hatte. Wenn sie Beweise beibringen könnten, daß Santomauro mit irgendeinem der Leute, die doppelte Miete bezahlten, gesprochen hatte.
    Doch Patta machte all das zunichte. »Es gibt keine Beweise, Brunetti. Alles beruht nur auf dem Wort eines geständigen Mörders.« Patta klopfte auf die Papiere. »Er spricht von diesen Morden, als ob er nur mal kurz Zigaretten holen gegangen wäre. Niemand wird ihm glauben, wenn er Santomauro beschuldigt, niemand.«
    Brunetti fühlte sich plötzlich vor Erschöpfung übermannt. Seine Augen tränten, und er hatte Mühe, sie offenzuhalten. Er hob die eine Hand ans rechte Auge, als wollte er ein Stäubchen wegwischen, schloß beide Augen für einen Moment und rieb sie dann. Als er sie wieder aufmachte, sah er, daß Patta ihn seltsam anschaute. »Ich glaube. Sie sollten nach Hause gehen, Brunetti. In dieser Sache gibt es nichts mehr zu tun.«
    Brunetti erhob sich, nickte Patta zu und ging. Er machte sich direkt auf den Heimweg, vorbei an seinem eigenen Büro. Zu Hause zog er den Stöpsel des Telefons aus der Wand, duschte lange, aß ein Kilo Pfirsiche und ging ins Bett.

30
    B runetti schlief zwölf Stunden. Es war ein tiefer, traumloser Schlaf, aus dem er erfrischt und angeregt erwachte. Die Bettwäsche war feucht, obwohl er in der Nacht gar nicht gemerkt hatte, daß er schwitzte. Als er in der Küche den Kaffee aufsetzte, sah er, daß drei der Pfirsiche, die er nachts zuvor in der Schüssel hatte liegen lassen, mit einem samtigen grünen Flaum bedeckt waren. Er warf sie in den Mülleimer unter der Spüle, wusch sich die Hände und stellte den Kaffee auf den Herd.
    Immer wenn er merkte, daß seine Gedanken zu Santomauro oder zu Malfattis Geständnis abschweiften, pfiff er sie zurück, dachte statt dessen an das bevorstehende Wochenende und schwor sich, in die Berge zu Paola zu fahren. Er überlegte, warum sie wohl gestern abend nicht angerufen hatte, und dieser Gedanke rief sofort sein Selbstmitleid auf den Plan: Er briet hier in dieser stinkenden Hitze, während sie in
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