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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern
Autoren: B Meinhardt
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nicht.«
    Recht kryptisch gesprochen war das, und Willy runzelte die Stirn.
    »So manches«, wiederholte Marieluise mit einigem Nachdruck und, wenn ihn nicht alles täuschte, mit unterdrücktem Zorn.
    »Was hast du denn auf einmal?«
    Plötzlich stampfte Marieluise mit dem Fuß auf. »Das ist wieder mal typisch, daß du das fragst. Nichts hast du wieder mal bemerkt! Auf einmal? Wie kannst du das nur sagen? Die ganze Zeit ist mir schon so, aber das willst du nicht bemerken, genau wie du ja auch bei Ruth nichts hast bemerken wollen.«
    »Wie kommst du denn jetzt darauf?« fragte Willy bestürzt. »Erstens habe ich damals durchaus vieles bemerkt, wie wir beide wohl schon zur Genüge besprochen haben, und zweitens ist es Vergangenheit und hat nichts mit der Zukunft zu tun – nichts mit den Kindern.«
    »Da bin ich anderer Meinung«, erwiderte Marieluise.
    »Wie? Dann erkläre mir, was es damit zu tun haben soll – dann erkläre mir das mal!« Seine ganze unwillige Miene drückte aus, für wie absurd er Marieluises plötzlichen Hinweis auf seine Vergangenheit hielt, und das mußte er gleich mit ein paar weiteren Worten bekräftigen, so sauer war er, daß Marieluise seine schöne Euphorie durchschossen hatte: »Wir haben so wunderbare Kinder, die, ich wiederhole mich, sich so großartig verstehen, und du hast nichts anderes zu tun, als auf den Schmutz der Vergangenheit zu zeigen. Anstatt dich auch zu freuen! Wieso kannst du dich nicht auch einfach freuen, das erkläre mir mal! Das würde ich wirklich gern verstehen.«
    Er schien Marieluise ein wenig eingeschüchtert zu haben, jedenfalls senkte sie den Kopf und bekannte: »Ich freue mich ja. So ist es nicht. Riesig freue ich mich. Aber gleichzeitig – habe ich Angst um Catherine.« Sie hob den Kopf, sie bemühte sich, Willy in die Augen zu sehen.
    »Aber warum denn? Wegen möglicher Komplikationen bei der Geburt, oder weswegen?«
    Marieluise machte eine fast geringschätzige Handbewegung: »Wegen der Geburt … nein … wegen Matti. Weil sie nun ganz anders an ihn gebunden ist als ohne Kind und sie jetzt erst recht mit ihm zusammenbleiben wird … dernderwegen.«
    Dernderwegen, dieses alte sanfte, schön umständliche thüringische Wort war von Marieluise wohl nicht zufällig hinzugefügt worden, bestimmt sollte es die beleidigende Härte mildern, die in ihrer Begründung lag.
    Dennoch war Willy wie vor den Kopf gestoßen. Er sprang auf und lief mit verzerrtem Gesicht an Marieluise vorbei zum Fenster, aber er sah nur die Rippen der von ihr längst geschlossenen Läden, keine Ablenkung fand er bei denen, so stapfte er zurück zu seinem Ledersessel, ganz außer Atem war er, und mit schwerer Zunge brachte er endlich hervor: »Was hast du gegen Matti?«
    »Ich habe nichts gegen Matti«, antwortete Marieluise verzweifelt, »er liebt Catherine, so wie sie ihn liebt, das hat man selten, exakt wie du sagst.«
    »Also?«
    »Trotzdem habe ich Angst davor, daß sich eines Tages alles ändert und er Catherine weh tun wird, so wie du Ruth weh getan hast, denn er ist dein Sohn. Ich erwarte es geradezu! Ich möchte es nicht erwarten, glaube mir, ich will kein neues Unheil heraufbeschwören, aber ich kann Matti einfach nicht von dir trennen, das mag ungerecht sein …«
    »Es ist ungerecht! Es ist vollkommen unzulässig! Wenn du in mir unbedingt immer noch einen Schuft sehen willst, gut, das kann ich nicht ändern, da bin ich also weiter der Schuft, bis an mein Lebensende, bitteschön, ich stehe zur Verfügung als Sündenbock – nur ist Matti doch nicht mein Wiedergänger! Er ist ein neuer und anderer Mensch! Ich will ihn nicht über den grünen Klee loben, aber scheinbar muß ich, damit du es begreifst: Ein reiner Mensch ist er, und zwar ein viel reinerer, als ich es bin.«
    »Unzulässig, sagst du? Kein Gefühl ist unzulässig, es handelt sich um ein Gefühl, also verbiete mir nicht, es zu haben. Im übrigen warst du auch einmal ein reiner Mensch und bist es nicht geblieben.«
    »Das kannst du doch nicht vergleichen! Ruth und ich haben von Anfang an schweren Ballast mit uns herumgeschleppt, das tun Catherine und Matti nicht, ihre Situation ist viel einfacher, sie sind frei miteinander, also steigere dich mal nicht hinein in dein sogenanntes Gefühl. Und außerdem – außerdem habe ich doch keine Lust, jetzt so auf mich einprügeln zu lassen. Immer weiter prügelst du! Hast du dir vielleicht mal überlegt, daß du mir nicht nur das Vergangene anlastest, sondern gleich auch das
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