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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern
Autoren: B Meinhardt
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würden sich einfach weitertreiben lassen bis zur Mündung der Schorba in die Saale, sei doch nicht mehr weit, nämlich die Saale habe, wie allseits bekannt, da und dort ein paar ostseeflache helle Strände, die werde man ansteuern.
    Die Saale gab ihnen einen Schub, riß sie mir nichts dir nichts mit, vor allem zwei von ihnen, das waren die Ferkel. Ihre zuckenden Schwänze wurden immer kleiner vor den Augen der Jungs. Schon ringelten sie sich, regenwurmwinzig, fünf, zehn Meter voraus. »Los, hinterher«, brüllte Willy und fing an zu kraulen. Er erreichte das erste Ferkel, gab aber dem Wunsch nicht nach, es am Schwanz zu ziehen, sondern machte noch fünf, sechs Züge und drückte ihm einen Arm vor die Schnauze; da schau her, hatte auch er richtiges Mitleid.
    Vielleicht hundert Meter weiter kriegte Achim sein Ferkel gleichfalls wieder eingefangen. Schwer pumpend umfaßte er es und legte seine Wange auf den glänzenden Rücken, und pumpte, pumpte noch ein bißchen, die Schwarte als Ruhekissen. Auch die eben noch verstörten, wild strampelnden Tiere waren auf einmal ganz ruhig, bewegten ihre Keulen nur noch dann und wann, wedelten sparsam und fast schon gekonnt mit ihnen wie Fische mit ihren Flossen. So trieben die seltsamen Knäule aus Haut, Haar, Fett, Knochen, Knorpeln, Falten und Bändern stumm und beinahe erhaben die Saale hinunter. Willy, den die Rückholaktion gar nicht weiter angestrengt hatte, genoß es, dahin und dorthin zu schauen. Vor ihm war glitzerndes Wasser, Tausende Funken, die auf den Wellen explodierten. Rechts von ihm eine kleine Insel aus jungem Schilf, das sich leicht bog und kaum hörbar rauschte, woran er mal sehen konnte, daß immer Wind geht, selbst dann, wenn der Mensch meint, es gehe gerade keiner. Als er an der Insel vorbei war, kam am steilen rechten Ufer Windbruch in sein Blickfeld: ein paar Stämme ragten wie riesige Angeln übers Wasser, ein paar spießten wie gewaltige Pfeile den Berg. Am linken Ufer aber, am linken wurde es jetzt flach, und Achim rief: »Ende der Reise, Willy!«
    »Nö«, rief der zurück, »laß uns noch ein Stück treiben.«
    »Reicht doch.«
    »Mir nicht.«
    »Mir ja, laß gut sein.«
    »Wenn’s dir reicht, mir nicht.«
    Und das war schon zuviel geredet; manchmal muß man einfach die Klappe halten und machen und tun, das wußten die beiden noch nicht, vielleicht lernten sie’s noch. Jenes Flachstück jedenfalls lag schon hinter ihnen. Und bei Gott, das nächste würden sie nur halbtot erreichen. Alles ging jetzt rasend schnell. Das Wasser vor ihnen wurde glatter, wie eine gestraffte Decke erschien es ihnen. Und mit den gekräuselten Wellen waren auch die stiebenden Funken verschwunden, und der Fluß war schwarz. Als wäre er mit Teer gefüllt. Der Jemand, der das Wasser gestrafft und undurchsichtig gemacht hatte, saugte die ineinander verschlungenen Gestalten, die zwei Zentauren in einem Höllentempo zu sich, schneller, immer schneller saugte er, das Wasser war mittlerweile glatt wie Glas, hatte man das je gesehn, pechschwarzes Glas, und nun ertönte vorne ein großer Krach, ein anschwellendes Splittern, Bersten, Donnern, Grollen, es ergoß sich dort das Wasser in die Tiefe, es brach die Glasbahn in Myriaden Teile, die Jungs sahen schon die Gischt, eine schäumende Wand, die ihnen den Blick auf die Landschaft verstellte und ihnen den Atem nahm. Würde es an dem Wehr, »verdammt, Willy, das ist ein Riesenwehr«, auch sie in Stücke zerreißen?
    »Festhalten«, brüllte Willy. Er hatte seinen Körper nach vorn gebeugt, hielt seinen Kopf über dem des Schweines, ein wilder Reiter, eine einzige gespannte Sehne. Achim dagegen war vor Schreck von seinem nun wieder quiekenden Ferkel gerutscht und hing wie ein Sack an dessen bebender Flanke. An der Kante des Wehrs, die eher eine Rolle war, eine wahnwitzig schnell sich drehende Rolle, auf der sein Körper, als wäre der ein Stück Blech auf einer Walze, mit einem Ruck zu einem U verformt wurde, verlor er die Verbindung zu dem Tier. Achim wirbelte durch die von Wasser erfüllte Luft, verschluckte sich, spuckte Tropfenschwälle, landete, ehe er sich’s versah, mit Steiß und Hinterkopf auf Steinen; verdammt, wieso sind hier Steine, dachte er noch, und dann verabschiedete er sich für eine Weile aus dieser Welt.
    Beim Aufwachen blickte er in furchtbar gerötete Augen … Willys … Willys Augen waren das ja! Und Willys Hände lagen flunderflach auf seiner Brust. Willy, begriff er langsam, hatte ihn gerade ins Leben
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