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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger
Autoren: Will Berthold
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noch … eine Minute bloß … eine Frage lang …«
    »Du hast … zuviel gewagt«, antwortete Karen.
    »Kein Zuviel«, erwiderte er, »wenn es um uns geht … Sind Träume nicht schön?«
    »Sollten wir uns nicht an die Wirklichkeit gewöhnen?« fragte Karen leise.
    Er nickte, trat von ihr weg und sah zum Fenster hinaus. Es war schön und töricht gewesen, nach Berlin zu kommen. Töricht nicht nur wegen der Polizei, sondern wegen Karen. Denn er konnte nicht mehr erreichen als einen zweiten Abschied.
    Karen stellte sich neben ihn. Sie zog ihn sanft an sich. Ihre Haare waren so hell wie ihre Augen und ihre Haut fein, ohne blaß zu wirken. »Würdest du wieder … nach Spanien gehen?« fragte sie leise.
    »Ich … ich weiß nicht«, antwortete Paul stockend.
    Er kann immer noch nicht lügen, dachte sie.
    Sie setzten sich nebeneinander. Zwischen ihnen kauerte wieder die Befangenheit.
    »Nein«, sagte Vonwegh plötzlich, »ich würde bei dir bleiben und nie mehr einen Schritt beiseite gehen.« Er wurde sofort mit dem Ausbruch fertig. »Wenn«, setzte er resigniert hinzu, »wenn ich könnte …«
    »Und du kannst nicht?« fragte die junge Frau.
    »Nein.«
    »Und warum?«
    »Weil ich … weil ich nur dich gefährden würde.«
    »Kennst du mich noch?«
    »Wie kannst du nur fragen?« erwiderte er sofort.
    »Weil du wissen mußt, daß mir das nichts ausmacht.«
    Er nahm ihre Hand. »Nein«, versetzte er unruhig.
    »Du bleibst«, erwiderte Karen fast schroff.
    Und dann kam der Abend. Langsam. Sie machten kein Licht. Sie ließen die Dämmerung auf sich zukommen, und sie war hell für sie und strahlend. Karen zündete eine Kerze an. Sie begannen zu reden, Pläne zu schmieden, Luftschlösser zu bauen, sie wieder einzureißen und auf ein solideres Fundament zu stellen: Erst abwarten, dann auf einem Bauernhof in Mecklenburg untertauchen, schließlich falsche Papiere besorgen und den Sprung nach Norden wagen, nach Schweden, wo Karens mütterliche Verwandte auf sie warten würden …
    »Aber das ist heute alles unwesentlich«, sagte sie abschließend.
    Die Kerze flackerte. Das feierliche Licht warf ihre Schatten übergroß an die Wand. Sie sahen lächelnd, wie es ein Schatten wurde, ein Stück, ein Guss, ein Gefühl, eine Zukunft …
    Laut und durchdringend schlug die Glocke an. Die beiden fuhren auseinander.
    Wahrscheinlich war es nur ein nebensächlicher Besucher.
    Aber er zeigte Paul Vonwegh und Karen brutal, welche Zukunft sie erwartete …
    Benommen sieht Vonwegh jetzt um sich. Er hat sich nicht von der Stelle gerührt. Aber Stimmen machen ihn sofort hellwach. Er unterscheidet sie gleich: Es sind der Frauenmörder Petrat und der Gorilla.
    »Ich habe selbst gesehen«, lügt Kortetzky, »wie Vonwegh ins Schloß geschlichen ist … um Müller zu verpfeifen.«
    »Dann ist er reif«, zischt Petrat. »Morgen … beim Einsatz …«
    Der Gorilla meckert laut: »Ich lenk' ihn ab … und du legst ihn um.«
    »Verlass dich drauf.«
    Vonwegh wechselt unbemerkt den Standort. Es hat keinen Sinn, sich an die Vergangenheit zu verlieren, wenn die Gegenwart aus Mordabsprachen der eigenen Leute besteht.
    Der kleine Kordt spürte selbst das Grauen im Nacken und jagte seinen Kumpel Müller über Stock und Stein. Es war keine Treibjagd, sondern ein Amoklauf.
    Er ging quer durch Dirlewangers Hauptquartier, vorbei an geschundenen B-Soldaten, die mit einer Gasmaske durch den Schnee robbten; vorbei an der Metzgerei des Stabes, die Aumeier betreute, der heute exekutiert werden mußte, vom Reichsführer SS persönlich zum Tode verurteilt; vorbei an zwei nackten Russinnen, die im Schnee lagen und mit Wasser übergossen wurden, damit sie den Schlupfwinkel der Partisanen preisgaben; vorbei an dem Bock, auf dem man menschliche Haut zu Fetzen prügelte; vorbei an den Bunkern, die der Sturmbannführer persönlich erfunden hatte und in denen man gerade stehen konnte, tagelang, und im Verhungern dick wurde, weil die Gelenke anschwollen.
    Kordt hatte Müller aus den Augen verloren.
    Jetzt sieht er ihn plötzlich wieder vor sich und stürzt ihm nach. Er holt auf. Er ist der Jüngere, und die Angst frißt die letzte Hemmung. Dreißig Meter noch. Er bleibt stehen, zielt mit der 08. Aber sooft er abdrücken will, verwackelt das Ziel, und Müller springt aus der Schußlinie. Kordt sieht, wie der Verfolgte über einen Eisbrocken fällt. Jetzt, denkt er und drückt den Abzug durch, einmal, zweimal, dreimal.
    Die Querschläger zischen am Schloß vorbei, wo
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