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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger
Autoren: Will Berthold
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Sturmbannführer Dirlewanger das Fenster aufreißt und seine Burggendarmen anbrüllt: »Wer ballert denn da so sinnlos durch die Gegend? … Los, schnappt euch die Burschen! … Alle beide!«
    Der Sturmbannführer sieht ihnen mit kleinen, rotgeränderten Augen entgegen. Der Schnaps von gestern hatte ihm heute zunächst die Laune verdorben. Sein Waffenrock steht noch offen. Er sieht vom Tisch auf, auf dem Papiere herumliegen, darunter eine Beschwerde des Reichsleiters Rosenberg gegen die Art seiner Einsätze, eine rückwirkende Beförderung zum Obersturmbannführer und gleichzeitige Ernennung zum SS-Standartenführer. Vor zehn Minuten hatte man sie ihm ausgehändigt, und die Freude vertrieb die Nebel des Alkohols aus seinem Kopf.
    Der Junge steht schwankend vor dem neuernannten Standartenführer. Er zittert wie eine Vogelscheuche im Gewitter. Müllers Gesicht ist häßlich, blutverschmiert. Sein Mund zuckt. Aber er ist ruhig auf einmal. Er hat nichts mehr zu verlieren. Für ihn ist es gleich aus. Er braucht nicht mehr um seinen Kopf zu kämpfen wie Kordt. Seine Energie weicht so plötzlich wie die Luft aus einem im Überdruck geplatzten Pneu.
    »Wo kommt die Waffe her?« fährt Dirlewanger den Jungen scharf an.
    »Vom … vom Oberscharführer …«
    »Von welchem?« unterbricht ihn der Chef des Sonderkommandos.
    »Oscha Weise …«
    »Und warum?«
    »Ich … ich habe den Befehl … ihn umzulegen …« Er deutet auf Müller.
    »So«, antwortete Dirlewanger gereizt, »und warum lebt er dann noch?«
    »Ich … nicht getroffen …«, versetzt Kordt und glaubt zu spüren, wie der Boden unter seinen Füßen nachgibt.
    »Bringen Sie mir den Oberscharführer Weise«, wendet Dirlewanger sich an einen seiner Leute.
    Der Standartenführer ist blaß. Seine ungesunde Gesichtshaut zieht sich wie eine dünne Schicht direkt über die Knochen. Seine Wangen wirken eingefallen, obwohl der Mann ein Schlemmerleben führt. Er ist erst siebenundvierzig, aber er sieht zehn Jahre älter aus. Seine Augen haben keine Ruhe. Ein Lid zuckt leicht.
    Keiner sagt ein Wort im Raum.
    Ein paar Gäste von gestern stecken vorsichtig den Kopf herein.
    »Kommen Sie doch näher, meine Herren«, sagt Dirlewanger freundlich und fasst die Gelegenheit, sich zu produzieren.
    In diesem Moment betritt Oberscharführer Weise den Raum. Er weiß, daß er den Zwischenfall überleben wird, falls Dirlewangers Gunst standhält. Und er zweifelt nicht daran, daß er erledigt sei, falls sie wankt …
    »Weise … was ist denn das?« fährt ihn Dirlewanger an. »Sie geben diesem Kerl da eine Waffe in die Hand, und er schießt damit vor meiner Haustür herum …«
    »Er hat aus zwei Meter Entfernung das Ziel verfehlt«, erwidert der Oberscharführer und steht stramm. »Absichtlich … Eine glatte Befehlsverweigerung!«
    Dirlewanger zieht seinen Intimus auf die Seite.
    »Das ist der Mann, der gegen Sie gehetzt hat, Standartenführer«, sagt Weise hastig.
    »Ja, ich weiß«, entgegnet Dirlewanger. Seine Handbewegung setzt hinzu: Wer tut das nicht!
    »Bei mir gibt es nur zwei Dinge«, erwidert der ehemalige Freikorpskämpfer, der als Altparteigenosse in Heilbronn zum Direktor des Arbeitsamts avanciert war und den Parteiverkehr mit der Reitpeitsche abgewickelt hatte. »Entweder diese Burschen werden lautlos umgelegt … oder öffentlich, zur Abschreckung … vor dem ganzen Haufen …« Seine Raubvogelvisage verzieht sich zu einem Feixen.
    »Jawohl, Standartenführer«, versetzt Weise ergeben.
    »Erledigt«, sagt der Chef gönnerhaft. »Weise … ich brauche jetzt jeden Mann … Wir können nicht mehr so ins volle Menschenleben greifen, solange man uns keinen Ersatz schickt.«
    »Jawohl, Standartenführer.«
    »Gehen Sie wieder zu Ihrem Haufen zurück«, fährt Dirlewanger mit einem versöhnten Lächeln fort. Dann dreht er sich nach seinen Gästen um. »Entschuldigen Sie, meine Herren … Ich muß noch diese Sache in Ordnung bringen.«
    Die Offiziere wollen gehen, aber Dirlewanger fordert sie auf: »Bleiben Sie doch bitte … Vielleicht ist es für Sie ganz interessant, mal unsere Methoden kennen zu lernen …« Dann gießt er sich ein Wasserglas voll Wodka ein. Er mustert Kordt und Müller und schmeckt ihre Angst. »Sie trübe Tasse!« sagt er zu Kordt. Dann wendet er sich an Müller. »Und Sie haben was gegen mich?« fragt er fast belustigt.
    »Nein … nein … Sturmbannführer«, antwortet Müller hastig.
    »Haben Sie nicht gesagt, daß ich aufgehängt
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