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0512 - Hard-Rock-Zombie

0512 - Hard-Rock-Zombie

Titel: 0512 - Hard-Rock-Zombie
Autoren: Jason Dark
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Auch für mich war es nicht alltäglich, durch ein herbstlich stilles, von dünnen Nebelschwaden durchzogenes Soho zu gehen und den Abend zu genießen.
    Gerade wegen der Ruhe machte es soviel Spaß. Keine Hektik, keine schrillen Musikfetzen, die über die Straße wehten, kaum Mädchen, die auf Kunden warteten, nicht das Schreien der Anreißer vor bestimmten Nepplokalen – nur die Ruhe.
    Natürlich nicht die, die auf dem Friedhof herrscht. In Soho ist immer was los. Egal, ob die Nebel wallen oder der Schnee eine Höhe von einem Yard erreichte, dieser Stadtteil ist nie still. Es fehlte ihm jedoch die sommerliche Hektik.
    Ich wohne ja am Rande von Soho, war von der Fahrt vom Büro nach Hause früher ausgestiegen, um den Rest zu Fuß zu laufen. Der Dienstrover steckte in der Inspektion, zudem tat es auch mal gut, mit der U-Bahn zu fahren.
    Suko war noch zum Training gegangen. Es ging da um neue asiatische Kampfsportarten, die er sich anschauen wollte und die von den Koreanern entwickelt worden waren.
    Ich hatte die Hände in den Taschen meines Trenchs vergraben.
    Der Kragen stand hoch. Hätte ich noch einen Hut aufgehabt, hätte ich ausgesehen wie Humphry Bogart.
    Der Sommer war vorbei.
    Herbstliche Melancholie zeichnete jetzt das Straßenbild des Stadtteils Soho.
    Viel Nebel und abgefallenes Laub, das im Rinnstein lag. Feuchte, dünne Tücher, die sich in den Schein der Laternen hineindrehten oder an den Fassaden der oft alten Häuser hochkrochen.
    Soho hatte sich auch in den letzten Jahren gemacht. Imagepflege, heißt so etwas.
    Es gab inzwischen Restaurants der Superklasse, man konnte wieder nett ausgehen und landete nicht nur in halbvermoderten Striptease-Schuppen, wo man sich schon selbst als Gruftie fühlte.
    Die waren natürlich auch noch vorhanden und zogen entsprechend viele Gäste an.
    An diesem Tag hatte mich eine herbstliche Stimmung überfallen, ich brauchte den Spaziergang einfach. Möglicherweise lag es auch an dem letzten Fall, der hinter uns lag. Er hatte uns in einen kleinen Ort geführt, wo wir am Begräbnis eines Kollegen hatten teilnehmen wollen und sich herausgestellt hatte, daß dieser Kollege scheintot gewesen war. Ein Fall, der mir unter die Haut gegangen war, eben wegen seiner menschlichen Tragik. Das Wetter war in Rippon so gewesen wie hier, nur mit noch etwas dichterem Nebel.
    Die Temperaturen lagen ungefähr fünf Grade über dem Gefrierpunkt. Ein feuchtes, ein naßkaltes Wetter, das nur wenige Spaziergänger ins Freie lockte.
    Wer mir begegnete, wohnte zumeist in Soho. Viele Touristen mieden herbstlich stille Abende wie diesen.
    Natürlich hatten sich die Straßenmädchen nicht völlig zurückgezogen. Sie mußten ja verdienen. Eine sah ich im Schein der alten Laterne stehen. Auf moderne Leuchtstofflampen hatte man in gewissen Teilen von Soho verzichtet, die alten, nachgebauten Laternen paßten besser. Sie vermittelten einen Hauch von Nostalgie, besonders jetzt, wo der Nebel in den Schein hineinwaberte und auch die Gestalt des Mädchens streifte, das den Kopf drehte, weil sie meine Schritte gehört hatte.
    Augenblicklich änderte sich ihre Haltung. Sie schaute mich an und lächelte.
    Ich war kein Kunde, obwohl ich sehr langsam über den Gehsteig schlenderte.
    Ein Wagen passierte mich. Wie ein dunkler Schatten huschte er an der Laterne vorbei.
    »Na?« fragte die Kleine.
    Ich blieb stehen. Nicht, daß ich mit ihr in ein Zimmer gehen wollte, ich hatte einfach Lust, ein paar Worte mit ihr zu wechseln.
    »Du bist allein?«
    »Natürlich.«
    »Ich auch«, sagte sie. »Vielleicht könnten wir uns die nächste Stunde gemeinsam vertreiben.«
    Ich schaute sie an. Sie sah nicht einmal übel aus. Und irgendwie paßte sie auch zu dieser Gegend und in die gesamte Stimmung hinein. Sie kam mir nostalgisch vor. Das Gesicht war ziemlich hell geschminkt, nur die Ränder der Augen besaßen einen dunklen Hauch, der sich als Streifenmuster bis oben in die Stirn hinzog. Wegen der Kühle hatte sie einen langen Mantel übergestreift. Er reichte bis zu den Waden. Sie öffnete ihn nicht, darunter trug sie bestimmt nicht viel. Irgendwie schien sie das Gefühl zu haben, daß ich nicht der richtige Kunde für sie war.
    Die Lippen waren sehr scharf nachgezeichnet worden. Die Farbe glänzte wie roter Lack. Sie kam mir vor wie ein verstoßener Engel und tat mir leid.
    »Nein, ich möchte nicht mit dir aufs Zimmer gehen.«
    »Ich bin aber gesund!« Fast trotzig trat sie mit dem Fuß auf.
    »Das hat mit AIDS nichts zu tun,
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