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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger
Autoren: Will Berthold
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herauskommt.
    »Glaubt ihr das nicht?« brüllt der aufgebrachte Müller zitternd vor Zorn in die entsetzte Runde hinein.
    »Ich schon«, entgegnet der junge Kordt.
    »Halten Sie den Mund!« erwidert der drahtige Paul Vonwegh aus dem Hintergrund.
    Alle anderen starren den mittelgroßen Mann mit dem straffen, männlichen Gesicht an, der die Lumpen wie ein Herr trägt. Sie hassen ihn, weil sie den Außenseiter wittern. Den vornehmen Hund. Den feinen Pinkel. Einen, der sich einbildet, etwas Besseres zu sein.
    Er schweigt, spricht nie ein unnötiges Wort, sagt zu keinem du, zeigt keinen Hunger, und wenn sie alle vor Kohldampf wahnsinnig werden. Er wirkt nicht dreckig, wenn es keine Seife gibt. Er wird nie müde von der Schleiferei, und er hat keine Angst vor dem Einsatz. Dieser Paul Vonwegh wird nie von den Gruppenführern zur Minna gemacht, obwohl er nicht katzbuckelt. Er ist erst ein paar Wochen da, aber sie alle haben von ihm die Schnauze voll, weil sie unbewußt spüren, daß sie ihm heimlich folgen.
    »Dich Hund leg' ich eines Tages um«, knurrt Petrat, der Lustmörder.
    Der Gorilla nickt tiefsinnig. Seine Stecknadelaugen sind schon glasig.
    Ein Pfiff! Licht aus, heißt das. Sie pferchen sich auf ihrem Strohlager zusammen. Draußen heult der Wind. Es klingt schaurig. Sie liegen da und rechnen sich ihre Chance aus: Kommen sie morgen durch, werden sie übermorgen fallen. Und überleben sie den Einsatz, dann genügt ein Wink Dirlewangers, um sie auszulöschen. Weil sie schlecht rasiert sind, weil der Stahlhelm schräg sitzt, weil das ausgeleierte russische Maxim-MG mit der uralten Wasserkühlung eine Rostnarbe zeigt, weil einer dieser Folterknechte zu viel Schnaps oder zu wenig Weiber hatte, weil man einen Furz ließ oder eine alte Russin nicht umlegen konnte. Kein Grund ist zu nichtig, kein Zufall zu ausgefallen.
    Paul Vonwegh liegt schlaflos auf seiner Matte und starrt angestrengt ins Dunkel. Wer hat den kleinen Weber verpfiffen, der gestern gehängt wurde? Wer ist das Schwein, das sie alle gefährdet? Wer verläßt jetzt die Baracke und schleicht sich zu Dirlewangers Trabanten?
    Sie haben den ganzen Tag Holz gehackt. Dann gab's Graupensuppe. Dann in den leeren Magen Schnaps, den er wegschüttete. Er wollte ihn nicht trinken, die anderen sollten ihn nicht haben. Die Dirlewangers leisten keinen Eid und erhalten keinen Sold. Nur Schnaps, zwecks Anfeuerung. Der Mann auf der Strohmatte stemmt sich gewaltsam gegen die Ermüdung. Nicht einschlafen, befiehlt er sich! Ich muß den Kerl feststellen, bevor er uns alle der Reihe nach ans Messer liefert …
    Als in den Mannschaftsbaracken die Lichter ausgingen, zündete man in Dirlewangers Hauptquartier im Schloß die Kerzen an. Sie stecken in massiven Silberleuchtern, Raubgut aus einer polnischen Kirche. Fünfzehn geladene Gäste sitzen um den ovalen Tisch herum, Günstlinge der eigenen Einheit oder Kumpane aus der Etappe Kiew, wohin Dirlewanger mit seinem Fieseler Storch fliegt, so oft ihn die Langeweile überkommt.
    Davor steht Tag und Nacht die Leibwache. Ein Führer und sechs Mann. Burggendarmen nennt man die Posten, die Dirlewanger weniger gegen die Partisanen aufstellte als zum Schutz gegen seine eigenen Leute. Denn er hat Phantasie genug, sich auszurechnen, wie sie ihn hassen.
    Sturmbannführer Dirlewanger sitzt am Kopfende der Tafel, halb zusammengesunken und ganz zusammengetrunken. Wie immer. Manche seiner Leute haben ihn in Monaten nicht einmal nüchtern gesehen. Oberscharführer Weise, seine rechte Hand, betrachtet ihn abschätzend. Der Chef hat schlechte Laune, denkt er, höchste Zeit, etwas dagegen zu tun.
    Er steht auf, tritt an das Grammophon heran, legt die Lieblingsplatte auf. Er gibt den Gästen ein Zeichen. Das Gespräch flaut ab. Und dann dröhnt breit und voll das Lied in den Raum: »Alle Tage ist kein Sonntag …«
    Die Rechnung des Oberscharführers Weise geht auf. Dirlewanger hört fasziniert zu. Der Ausdruck, den seine Raubvogelvisage vor Rührung annimmt, macht sie noch schrecklicher. Er klopft ans Glas. »Meine Herren«, sagte er, »ich darf Ihnen zum Dessert eine besondere Überraschung ankündigen.« Er zwinkert mit den Augen. Wer ihn kennt, weiß, was das bedeutet.
    Es gilt selbst in Kreisen der SS-Führer als unfein, mit Dirlewanger zu verkehren. Gauleiter Kube in Kiew, ein nicht gerade zimperlicher Ost-Besatzer, mobilisiert alle Verbindungen, um Dirlewanger aus seinem Revier zu vertreiben. Alfred Rosenberg interveniert fast jeden Monat im
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