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Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
Autoren: Matthew Pritchard
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1
    Mamá war ziemlich schnell für ihre Größe. Tommy sah den Schlag nicht kommen.
    »¡Imbécil! Ich habe dir gesagt, du sollst nach unten gehen!«
    Sein Gesicht brannte noch, als die Kellertür zuknallte und er plötzlich in die Dunkelheit starrte. Er tastete nach der Wand, versuchte sich zu erinnern, was seine Schwester ihrer Freundin gesagt hatte: vier Schritte vorwärts, Kopf einziehen, noch zwei Schritte, dann nach dem losen Brett in der Wand tasten.
    Er stolperte, hatte Angst, die Orientierung verloren zu haben. Aber die Taschenlampe war genau dort, wo sie sein sollte, die Ersatzbatterien ebenfalls. Sie war schlau, seine Schwester.
    Die kleine Schlampe.
    Die Taschenlampe beleuchtete die von Schimmel fleckigen Wände unter dem Haus, Spinnweben, muffig riechende Möbel unter vergilbten Laken. Staubflusen wirbelten durch den Lichtstrahl, während Mamá oben über die Bodendielen ging. Tommy hörte eine raue Stimme, dann Mamá, die in ihrem komischen Englisch erwiderte: »Stimmt, bin geärgert. Jemand hat meine Katze gestehlt.« Eine Pause. »Zuerst du zahlen.« Die Stimmen verklangen, als sie nach oben gingen.
    Jetzt war er sicher. Er leuchtete mit der Lampe in das Loch, erkundete die Schätze, die seine Schwester dort versteckt hatte, nahm sie einen nach dem anderen heraus.
    Puppe.
    Lippenstift.
    Mascara.
    Die Haare der Puppe waren verfilzt. Lippenstift und Mascara füllten die Risse im Gesicht, sie hatte es damit beschmiert und dann abgewischt. Das tat sie also hier unten: Normalerweise war sie es, die hier unten eingesperrt wurde. Mamá hasste die Schlampe.
    Irgendwas weiter hinten in dem Loch stank. Tommy kniete sich hin, richtete den Strahl auf eine Plastiktüte, die dort klemmte. Er brauchte einen Augenblick, bis ihm bewusst wurde, was es war: Die roten Schlieren auf dem durchsichtigen Plastik waren zu einer dunkelbraunen Kruste vertrocknet, aber Büschel orangeroten Fells waren noch zu erkennen.
    Es war lustig: Nach dem ganzen Zischen und Kratzen war Mamás Katze jetzt still und steif. Das hatte Spaß gemacht, zu schneiden und zu schälen, bis das Tier verstummte. Es war ihm egal, dass es ihre Idee gewesen war. Er hatte es gemacht.
    Irgendwo oben setzte ein rhythmisches Stoßen ein. Tommy bewegte die Beine im Takt, während er den Kopf der Puppe packte und mit Make-up beschmierte. Dann nahm er die Puppe in den linken Arm, fuhr mit dem Finger von der Brust zum Bauch, dann weiter zum glatten Plastik zwischen ihren Beinen. Er runzelte die Stirn. Hier stimmte was nicht.
    Kleine Mädchen waren nicht so.
    Tommy riss die Beine auseinander, fischte sein Messer aus der Hosentasche.

2
    Neunzehn Jahre später
    Mit einem letzten Ächzen zerrte er den Bettbezug über die oberste Stufe und stieß die Masse in dem Sack mit der Schuhspitze an: ein gedämpftes Wimmern, aber nichts rührte sich.
    Gut. Das Beruhigungsmittel wirkte. Wie der Rest des Hauses war auch diese Treppe erst halb fertig, ein Zickzack aus Betonrechtecken in der Mitte des Rohbaus. Dieses Haus hatte er noch nie benutzt. Das alte war jetzt nicht mehr zu gebrauchen. Nicht, nachdem oberhalb gebaut wurde. Er war nervös. Vorsicht und Geduld: Damit hatte er all die Jahre eine Verhaftung vermieden.
    Er ging zu einem fensterlosen Loch in der Außenmauer und schaute nach, ob man ihm gefolgt war.
    Nichts. Wind raschelte in den Palmen; irgendwo bellte ein Hund. Lichter – weit weg und unbeweglich – funkelten vor den Ausläufern des Gebirges.
    Zeit für die Arbeit.
    Er wollte das Ding loswerden, seit es die Nerven verloren hatte: Es hatte von Albträumen geplappert; klebrige, rote Hände, die beim Aufwachen seine Kehle umklammerten. Er hatte all seinen Einfluss ausüben müssen, um es sich noch einmal gefügig zu machen. Aber jetzt wurde er es besser los.
    Wie immer hatte er die erste Hälfte der Wand schon in der Woche zuvor gebaut. Er legte die Hand auf die hüfthohe Mauer und rüttelte daran, um die Festigkeit zu prüfen. Fest wie Stein. Er zog den Bettbezug ab und schaute sich die bleiche Masse nackter Gänsehaut an, kniete sich kurz hin und nahm die in der Kälte geschrumpften Genitalien in die Hand. In seinem Werkzeugkasten hatte er ein Messer.
    Verführerisch.
    Aber nein. Das Ding hatte diese Ehre nicht verdient. Er konnte warten. Vorsicht und Geduld. Die Dunkelheit machte ihm keine Angst.
    Jetzt nicht mehr.
    Mit der Seilwinde zog er das Ding vom Boden hoch. Als es hing, drückte er die Unterschenkel nach unten und schob sie in den schmalen Hohlraum
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