Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik
Autoren: Abbas Khider
Vom Netzwerk:
Wagen, einen ziemlich alten Renault, mit dem mir öfter Pannen passiert sind. Wie ein Sultan fühlte ich mich in dem alten Karren jedenfalls nicht. Ich bin dankbar, diesen Job zu haben. Ich weiß, dass viele meiner Landsleute in Bengasi, Tripolis und anderen libyschen Städten auf Baustellen, Basaren, in Hotels, Teehäusern oder Cafés arbeiten müssen. Sie bekommen dort sehr wenig Lohn und müssen ständig um ihren Job fürchten. Es gibt hier viele Ausländer, die für irgendeine Arbeitsstelle zu allem bereit sind. Für meine Arbeit muss ich wahrlich dankbar sein. Die meisten Gastarbeiter können nur einmal jährlich ihre Familien besuchen. Ich habe Glück, ich kann meine Frau und meine Kinder wöchentlich sehen.
    Ich schalte den Kassettenrekorder ein, will Sufi-Musik hören. Sanft dringen die Klänge in meine Seele ein. Diese Klangwelt hilft mir, die schlechten Gedanken fortzujagen. Seit mittlerweile über vierzig Jahren, seit meiner Jugend, liebe ich sie. Vielleicht wie viele Menschen aus meiner Gegend. Ich komme ursprünglich nicht aus Kairo, sondern aus Tanta, in der die Moschee des großen Mystikers Ahmed Al-Badawi liegt. Unzählige Gläubige, fast Millionen pilgern in jedem Jahr im Oktober dorthin und feiern den Mawlid, den Geburtstag Al-Badawis. Hier verliebte ich mich in die Lieder der vielen Mystiker und Derwische, die um die Moschee herum trommeln, singen und tanzen. Wenn ich mich in meiner Geburtsstadt Tanta befinde, tue ich immer dasselbe: Bevor ich mich auf den Weg mache, um die Moschee zu besuchen, betrete ich zunächst das Bad. Ich öffne den Wasserhahn und bekunde dabei die Absicht, das Gebet zu verrichten. Ich beginne mit dem Wudu, der rituellen Waschung: Ich wasche mein Gesicht, spüle meinen Mund aus, danach wasche ich meine Hände bis hinauf zu den Ellenbogen, streiche mir über den Kopf und säubere schließlich meine Füße. Alsdann stülpe ich mir eine weiße Kappe über, entnehme dem Spiegelschrank eine kleine Flasche Parfüm, träufele zwei Tropfen auf meinen Finger und verreibe sie in meinem hennagefärbten Vollbart. Ich folge dann den vielen Menschen, die in Richtung der Moschee gehen, und schließe die Augen, um einige Meter blind zurückzulegen. In Gedanken rezitiere ich während dieses Gangs bereits einige Verse des Korans. Ich mache die Augen erst wieder auf, wenn ich die magische Sufi-Musik höre, die alles um die Moschee herum umarmt.
    Ein kurzer Blick in den Autospiegel auf mein gealtertes Gesicht: Ein weißer Kreis, umrandet von vielen grauen Haaren. Die schwarzen Augen leuchten gleich denen eines Adlers, der gerade sein Nest erspäht. Darin glänzt die Freude, bald die Familie wiederzusehen. Meine schmalen Wangen sind kaum mehr zu erkennen, weil sich mein Bart bis fast unter die schwarzen Augenringe ausgebreitet hat. Ich müsste dringend zum Friseur gehen. Dieser Bart lässt mich um Jahre älter aussehen.
    Da vorne sehe ich nun das Schild: »Al-Amel le-Safr – Reisebüro Hoffnung, bequeme und klimatisierte Autos von Bengasi nach Kairo.« Eine Lücke vor dem Laden nutze ich zum Parken. Noch zwei Stunden, bis die Reise beginnt. Genügend Zeit, um schnell Geschenke für die Familie vom Basar der Araber zu besorgen.
    Unmittelbar vor dem Basar tobt wie immer der normale Alltag: Lärm von Autos, Schreie der Händler, Musik aus den Cafés und den Musikläden. Gespräche da und dort, Streitereien …
    Der Himmel ist klar und die Sonne brennt. An den Wänden hängen einige Schilder und Plakate: »Falafel Al-Hub – Falafel der Liebe«, »Maqha Al-Hayat – Café des Lebens«. »Wir verkaufen Kleider und Schuhe.« Und einige Parolen der Regierung: »Das Volk regiert.« »Gaddafi ist der einzige Adler.« »Die Revolutionskomitees sind überall.« »Wer Parteien bildet, ist ein Verräter.«
    Ich verlasse den Wagen und schließe die Tür.
    Leise steigen die drei Reisenden ein. Die freundliche Stimme eines Mitarbeiters aus dem Reisebüro dringt an mein Ohr: »Tuakel ala Allah – vertraue auf Gott!« Meine Antwort vom Vordersitz: »Ich vertraue auf Gott! Bis bald!«
    Stille im Wagen.
    Kurz überlege ich, ob ich an alles, was ich besorgen wollte, gedacht habe. Die beiden vergangenen Stunden habe ich auf dem Basar verbracht. Ich habe Geschenke für meine Kinder und Lebensmittel für meine Frau gekauft, um die sie mich gebeten hatte, weil sie in Libyen bezahlbar sind und daheim in Ägypten teurer verkauft werden. Diese Mitbringsel sind im Kofferraum, oder nicht? Bestimmt sind sie da. Ich taste
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher