Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Foundation 06: Die Grösse des Imperiums

Foundation 06: Die Grösse des Imperiums

Titel: Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
Autoren: Isaac Asimov
Vom Netzwerk:
 
1
VON EINEM SCHRITT ZUM NÄCHSTEN
     
     
    Zwei Minuten, bevor Joseph Schwartz die Erde, wie er sie kannte,
für immer verließ, schlenderte er noch, Browninggedichte
rezitierend, die gepflegten Straßen eines Chicagoer Vororts
entlang.
    Das war an sich schon ungewöhnlich, denn auf den ersten Blick
hätte niemand in Schwartz einen Browningkenner vermutet. Sein
Aussehen entsprach vielmehr genau dem, was er tatsächlich war:
ein pensionierter Schneider nämlich, und vollkommen
unberührt von dem, was die siebengescheite Welt von heute unter
›Höherer Bildung‹ versteht. Allerdings war er von
Natur aus wißbegierig und hatte viel Zeit mit Lektüre
verbracht. In seiner Unersättlichkeit nicht wählerisch,
hatte er auf praktisch jedem Gebiet ein paar Brocken aufgeschnappt,
und sein überragendes Gedächtnis hatte ihm geholfen, die
Übersicht nicht zu verlieren.
    Robert Brownings Rabbi Ben Ezra etwa hatte
er zweimal gelesen, als er noch jünger war, und seither kannte
er das Gedicht natürlich auswendig. Obwohl er das wenigste davon
verstanden hatte, waren ihm die ersten drei Zeilen in den letzten
Jahren so vertraut geworden wie sein eigener Herzschlag. Und sie
geisterten auch jetzt, an jenem strahlend schönen, sonnigen
Frühsommertag des Jahres 1949, durch die stummen Tiefen seines
Denkens:
     
»Crow old along with me!
    The best is yet to be,
    The last of life, for which the first was
made…« *
     
    Das konnte Schwartz bis in die Fingerspitzen nachempfinden. Nach
den stürmischen Jugendjahren in Europa und dem Existenzkampf der
ersten Zeit in den Vereinigten Staaten war ein sorgenfreier,
friedlicher Lebensabend nicht zu verachten. Er hatte sich ein
Häuschen gebaut, ein kleines Vermögen geschaffen, nun
konnte er sich Ruhe gönnen und tat es auch. Seine Frau war
gesund, seine beiden Töchter waren gut verheiratet, und ein
Enkelsohn verschönte ihm diese letzten, besten Jahre,
worüber sollte er sich also Sorgen machen?
    Die Atombombe war natürlich eine
immerwährende Bedrohung, aber Schwartz glaubte fest an das Gute
im Menschen und hielt einen weiteren Krieg für ausgeschlossen.
Nie wieder würde die Erde erleben müssen, wie die
Höllensonne einer nuklearen Explosion zornig vom Himmel
strahlte. So lächelte er den Kindern, an denen er
vorüberging, nachsichtig zu und wünschte ihnen im stillen,
sie möchten die Jugend rasch und ohne größere
Probleme hinter sich bringen, um ebenfalls das Glück dieses
späten Friedens genießen zu können.
    Er hob den Fuß, um über eine Raggedy Ann-Puppe * hinwegzusteigen, die, ein
bislang noch nicht vermißtes Findelkind, lächelnd mitten
auf dem Gehsteig lag. Bevor er den Fuß wieder auf den Boden
setzen konnte…
     
    In einem anderen Teil von Chicago stand das Institut für
Kernforschung. Manche der dort Beschäftigten mochten ebenfalls
gewisse Theorien über das Gute beziehungsweise Böse im
Menschen entwickelt haben, aber sie schämten sich, das
einzugestehen, da bisher noch kein Instrument erfunden worden war,
das diese Qualitäten exakt hätte bestimmen können.
Genauere Überlegungen gipfelten nur zu oft in dem Wunsch, ein
Blitz möge vom Himmel niederfahren und endlich damit
aufräumen, daß die menschliche Natur (und der verdammte
menschliche Erfindungsgeist) jede noch so harmlose und interessante
Entdeckung in eine tödliche Waffe verwandelten.
    Andererseits konnte ein und derselbe Mann, der ohne die geringsten
Skrupel seine Nase immer tiefer in die Kernforschung steckte, um
womöglich eines Tages die halbe Erde auszurotten, im Notfall
sein Leben einsetzen, um irgendeinen völlig unwichtigen
Mitmenschen vor dem Tod zu bewahren.
    Der blaue Schein hinter dem Rücken des Chemikers war das
erste, was Dr. Smiths Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Er war zufällig an der halb offenen Tür vorbeigekommen
und hatte einen Blick ins Innere geworfen. Ein junger Chemiker
schüttelte, vergnügt vor sich hinpfeifend, einen
Meßkolben mit einer abgemessenen Lösung. Ein weißes
Pulver schwebte träge durch die Flüssigkeit und löste
sich allmählich auf. Mehr passierte zunächst nicht, doch
derselbe Instinkt, der Dr. Smith ursprünglich hatte innehalten
lassen, trieb ihn nun zur Tat.
    Er stürmte in den Raum, schnappte sich einen Meterstab und
fegte damit alles auf den Boden, was auf dem Tisch stand. Es zischte
bedrohlich wie geschmolzenes Metall. Dr. Smith spürte, wie ihm
ein Schweißtropfen bis zur Nasenspitze rann.
    Das Bürschchen starrte verständnislos auf den
Betonboden.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher