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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik
Autoren: Abbas Khider
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geworden. In regelmäßigen Abständen bin ich nach Kairo zurückgekehrt, um zu sehen, was im Land los ist. Jedes Mal habe ich festgestellt, dass alles teurer geworden ist, um dann wieder nach Tripolis zu fahren. Jetzt reicht es mir, ich habe genug und will für immer und ewig in Kairo bleiben. Ich habe vor, mir einen kleinen Karren anzuschaffen und damit Falafel und Ful auf der Straße zu verkaufen. Oder ich besorge mir ein Auto, mit dem ich in Kairo Leute chauffiere und so mein Geld verdiene. Mal schauen! Habe noch mehrere Ideen. Mein libyscher Arbeitgeber wollte, dass ich noch ein weiteres Jahr in Tripolis bleibe. Aber mir reicht es, jahrelang habe ich in diesem Land gearbeitet und musste sogar auf das Fußballspielen verzichten.«
    »Was?«, wundere ich mich, und amüsiere mich über den jungen Said neben mir, der pausenlos redet. Von mir aus kann er uns ruhig weiter unterhalten, die ganze lange Fahrt über.
    »Ich liebe Fußball. Wollte immer wie Maradona spielen und die ganze Welt mit meinen Bewegungen und meiner Fußballkunst faszinieren. Die Jungs im Viertel nennen mich aber Pelé, wie den Brasilianer. Ich sehe aus wie er in seinen jungen Jahren, findet ihr nicht? Also, ich bin ein berühmter Fußballer, wenn auch nur in meinen Träumen. Leider bekam ich frühzeitig Probleme mit meinem Knie. Seitdem darf ich nicht mehr viel rennen und auch keine schweren Dinge tragen. Der Unfall geschah, als ich in einer Bäckerei arbeitete. Ich musste jeden Tag ein Holzbrett voller Brotfladen auf dem Kopf schleppen und die Fladen an viele Restaurants und Wohnhäuser im Viertel ausliefern. Eines unglücklichen Tages raste plötzlich eine saustarke, heiße, schnelle Limousine auf mich zu und erfasste mich. Anfangs spürte ich nichts, wusste nicht, was los war, weil ich bewusstlos am Boden lag. Erst Stunden später bin ich im Krankenhaus aufgewacht. Das Arschloch war mit seinem teuren Wagen geflohen. Bis zum heutigen Tage weiß ich nicht, wer mich umgefahren hat. Aber immerhin war es eine Limousine, die mich erwischte. Allemal besser als ein Fiat oder Volkswagen, oder? Und die Tatsache, dass der kleine Said zwischen meinen Beinen immer noch vorhanden und hervorragend funktionsfähig ist, erscheint mir wirklich wichtiger als das kaputte Knie.«
    »Du bist amüsanter als Kino! Gute Besserung für dich und den bestmöglichen Erfolg für den kleinen Said«, wünsche ich ihm lächelnd. »Und was hat dein Knie mit dem Fußball in Libyen zu tun? Das habe ich noch nicht verstanden!«
    »Das Beste kommt noch. Nur weil ich nicht Fußball spielen kann, heißt das nicht, dass ich Fußball nicht mag. Das nennt sich Logik, oder, Monsieur Mansur?« Er dreht sich um und schaut den Lehrer freundlich an. Dieser nickt lächelnd mit dem Kopf, kurbelt das Fenster runter und zündet sich eine Zigarette an.
    »Aber Moment! Ihr seid alle nur Gastarbeiter und keine Maulwürfe, hoffe ich. Für mich seht ihr harmlos und ehrlich aus, und ich glaube, ihr habt mehr Angst vor Spionen als ich. Stimmt’s?«
    Wir lächeln, und der Lehrer sagt: »In der Fremde sind wir alle Fremde. Der berühmte Poet Amru-Al-Qais dichtete einmal: ›Jeder Fremde ist für die anderen Fremden ein Verwandter.‹ Es gibt hier im Auto keinen Libyer. Wir fahren alle nach Hause. Keiner kennt den anderen! Glaubst du wirklich, dass ein Spion mit Gastarbeitern einen so langen Weg fahren würde, nur um zu erfahren, wie sie über das Gastland lästern?«
    »Los, Said! Es gibt keine Gründe, dir Sorgen zu machen! Fühl dich frei!«, sage ich und freue mich über das spannende Gespräch.
    »Das ist es, ja. Also, ich glaube, um etwas in Libyen begreifen zu können, muss man in den Kopfstand gehen. Alles ist hier umgedreht. Sogar die Zigaretten heißen: Al-Riadhy – Der Sportler. Wenn man die raucht, wird man niemals Sport treiben können. Der Tabak ist so stark, dass man sich nach dem Genuss von nur einer Zigarette nicht mehr bewegen kann. Also, als ich das erste Mal hier ankam, wusste ich nicht, dass Fußball so ein riesiges Problem in Libyen ist. Gaddafi sagte einmal, dass Fußball aus dem Westen kommt. Perialia, sagt man, glaube ich?« Er dreht sich abermals um und schaut den Lehrer fragend an.
    »Ein imperialistisches Spiel«, korrigiert Mansur.
    »Ja, du sagst es, Monsieur Mansur! Diese Perialia war das Problem. Man darf in Libyen zwar Fußball spielen, aber auf eine andere Art. Nicht wie bei uns oder sonstwo in der Welt. Das habe ich einmal auf dem Sportplatz erlebt. Ihr werdet es
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